Inhaltsverzeichnis

Dieser Beitrag  hebt die Bedeutung von Nuancen für meisterhaftes Verhandeln hervor und bietet praktische Ansätze hierfür. Die drei zentralen Punkte hierbei sind:

  • BATNA-Konzept: Die Bedeutung einer starken alternativen Option, wenn Verhandlungen nicht zum gewünschten Ergebnis führen, und wie diese die Verhandlungsposition stärkt.
  • Der Verhandlungsraum: Shapiro betont die Wichtigkeit des physischen und psychologischen Raums in Verhandlungen, um eine Atmosphäre der Neutralität, des Komforts und der Zusammenarbeit zu schaffen.
  • Identitätsfaktoren: Die Rolle der fünf Identitätsfaktoren (Anerkennung, Zugehörigkeit, Autonomie, Status, Werte) im Verhandlungsprozess, um zu konstruktiven und fairen Ergebnissen zu gelangen.

Willkommen in der Welt der konfliktären Verhandlungen, wo Nuancen über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Als erfahrener Senior HR Interim Manager teile ich heute Einblicke, basierend auf die sehr erfolgreichen Methoden von Daniel L. Shapiro, Direktor des Harvard International Negotiation Program, und seinem bahnbrechenden Buch „Verhandeln. Die neue Erfolgsmethode aus Harvard“ (2018). Dieser Beitrag richtet sich an Entscheidungsträger, Personalleiter und Verhandlungsführer, die tiefer in die Kunst des Meisterhaft Verhandelns eintauchen wollen.

1. BATNA – wenn das Harvard-Verhandlungs-Konzept scheitert

Falls Ihr Verhandlungspartner nicht kooperativ ist oder Sie trotz der Anwendung der Harvard-Prinzipien zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gelangen, ist das enttäuschend, aber kein unerwartetes Ereignis. Gemäß dem Harvard-Konzept ist es ratsam, sich schon im Vorfeld mit dem Gedanken eines möglichen Scheiterns und alternativen Lösungswegen auseinanderzusetzen: Was können Sie unternehmen, wenn trotz der Anwendung des Harvard-Konzepts keine Einigung erzielt wird?

Die Verfasser des Buches „Getting to Yes“ nennen die Lösung für solch eine Situation BATNA, „Best Alternative To a Negotiated Agreement“ (beste alternative Option bei Ausbleiben einer Einigung). Es ist also vorteilhaft, einen Plan B bereitzuhalten. Wenn Sie im Vorhinein einen Alternativplan erarbeitet haben, verleiht Ihnen dies nicht nur Sicherheit während der Verhandlung, sondern stärkt auch Ihre Position und Unabhängigkeit. Je besser Ihre BATNA, desto größer ist Ihre Verhandlungsstärke.

BATNA – Best Alternative to Negotiated Agreement

Um Ihre BATNA so präzise wie möglich zu bestimmen, gehen Sie wie folgt vor:

     

      • Erstellen Sie eine Liste mit potenziellen Szenarien.

      • Entwickeln Sie Optionen, die beiden Seiten zugutekommen.

      • Überlegen Sie, welche BATNA Ihr Verhandlungspartner möglicherweise definiert.

      • Bewerten Sie die Erfolgschancen Ihrer BATNA anhand objektiver und realistischer Kriterien.

    Sobald Sie Ihre BATNA kennen, sollten Sie Ihre Grenzen entsprechend festlegen. Die BATNA dient als Absicherung, um zu verhindern, dass Sie versehentlich einer Option zustimmen, die schlechter als Ihre BATNA ist. Überlegen Sie, welches Ergebnis noch immer besser als Ihre BATNA wäre. Sollte während einer Verhandlung die Gefahr bestehen, dass Ihre Grenzen in Richtung Ihrer BATNA überschritten werden, pausieren Sie die Verhandlung und bitten um Bedenkzeit.

    2. Die Bedeutung des (Verhandlungs)Raums beim Meisterhaft Verhandeln

    Daniel L. Shapiro, ein renommierter Experte auf dem Gebiet der Verhandlungsführung und Direktor des Harvard International Negotiation Program, betont in seinen Arbeiten zum Meisterhaft Verhandeln die Bedeutung des physischen und psychologischen Raums in Verhandlungen. Nach Shapiro ist der ideale Verhandlungsraum nicht nur ein physischer Ort, sondern vor allem auch ein symbolischer und emotionaler Raum, der bestimmte Schlüsseleigenschaften aufweist:

       

        1. Neutralität: Der Raum sollte als neutraler Boden angesehen werden, wo keine Partei sich im Vorteil oder benachteiligt fühlt. Dies fördert ein Gefühl der Fairness und Offenheit.

        1. Komfort und Funktionalität: Der Raum sollte komfortabel und funktional sein, um lange Diskussionen zu ermöglichen, ohne dass die Teilnehmer sich physisch oder psychisch unwohl fühlen. Angemessene Beleuchtung, Belüftung und Sitzgelegenheiten sind dabei wesentlich.

        1. Konfiguration zur Förderung der Zusammenarbeit: Die Anordnung der Sitzgelegenheiten sollte Zusammenarbeit statt Konfrontation fördern. Ein runder Tisch oder eine U-förmige Anordnung kann beispielsweise hilfreich sein, um eine hierarchiefreie und inklusive Atmosphäre zu schaffen.

        1. Abwesenheit von Ablenkungen: Der Raum sollte frei von störenden Elementen sein, die die Aufmerksamkeit der Teilnehmer ablenken könnten. Dies umfasst auch die Minimierung von Unterbrechungen durch Technologie oder Personen, die nicht an der Verhandlung beteiligt sind.

        1. Symbolische Bedeutung: Der Raum kann auch symbolische Elemente enthalten, die die Werte und Ziele der Verhandlung widerspiegeln. Zum Beispiel könnten Kunstwerke oder andere Dekorationen, die Themen wie Kooperation, Innovation oder Respekt symbolisieren, eine positive Atmosphäre schaffen.

      Shapiro sieht den Verhandlungsraum also als einen integralen Bestandteil des Verhandlungsprozesses zum Meisterhaft Verhandeln, der sowohl die physischen als auch die emotionalen und symbolischen Bedürfnisse der Teilnehmer berücksichtigt und somit zu einer effektiveren und konstruktiveren Verhandlungsführung beiträgt. Dieser Beziehungsraum ist unterschiedlich getönt bzw. gefärbt und dessen Kern lässt sich über fünf unterschiedliche Identifikationsfaktoren des Meisterhaft Verhandelns beschreiben.

      3. Die fünf Identitätsfaktoren: Kern einer jeden Verhandlung

      Anerkennung

      In einem mittelständischen Unternehmen steht eine Lohnerhöhung zur Debatte. Der Betriebsrat fühlt sich von der Geschäftsführung nicht ausreichend anerkannt, da ihre Argumente für höhere Löhne übergangen werden. Ein erfahrener HR-Manager schlägt vor, eine gemeinsame Sitzung zu organisieren, in der beide Parteien ihre Standpunkte präsentieren und gegenseitig anerkennen. Dies baut Vertrauen auf und führt zu einer konstruktiveren Diskussion.

      Zugehörigkeit

      Während einer Umstrukturierung in einem Technologieunternehmen entsteht das Gefühl der Ausgrenzung unter den Angestellten. Die Arbeitnehmervertreter nutzen die Verhandlungen, um die Bedeutung eines inklusiven Arbeitsumfelds zu betonen. Sie schlagen vor, regelmäßige Team-Events zu organisieren, um das Gefühl der Zugehörigkeit zu stärken.

      Autonomie

      Die Geschäftsführung eines Logistikunternehmens plant, die Arbeitszeiten zu straffen. Die Arbeitnehmer befürchten einen Verlust ihrer Autonomie. In den Verhandlungen stellt der Betriebsrat klar, dass flexible Arbeitszeiten für die Mitarbeiter essenziell sind. Eine Einigung wird erzielt, indem man ein Modell mit Kernarbeitszeiten und flexiblen Zeiten einführt.

      Status

      In einem Pharmaunternehmen fühlen sich die Laborangestellten gegenüber den Vertriebsmitarbeitern benachteiligt. In den Verhandlungen betont der Betriebsrat die Wichtigkeit jedes Mitarbeiters für den Unternehmenserfolg und fordert gleiche Weiterbildungsmöglichkeiten für alle Abteilungen.

      Werte

      Ein Produktionsunternehmen steht vor ethischen Fragen bezüglich Umweltstandards. Die Arbeitnehmervertreter nutzen die Verhandlungen, um die Bedeutung von Nachhaltigkeit zu unterstreichen. Ein Kompromiss wird gefunden, indem das Unternehmen sich zu strengeren Umweltstandards verpflichtet.

      Insgesamt konzentriert sich Shapiro hier damit weniger auf die Emotionen als vielmehr auf die Grundbedürfnisse der einzelnen Menschen im Rahmen des Meisterhaft Verhandeln. Allerdings vernachlässigt er beim Meisterhaft Verhandeln nicht die Emotionen, sondern berücksichtigt sie ebenfalls gesondert als sog. Verlockungen.

      4. Die fünf Verlockungen

      Verteidigung der Autonomie

      In einem IT-Unternehmen soll eine neue Software eingeführt werden. Die IT-Abteilung sieht dies als Eingriff in ihre Autonomie. In den Verhandlungen wird deutlich, dass die IT-Abteilung in den Entscheidungsprozess eingebunden werden möchte. Eine gemeinsame Lösung wird gefunden, indem die IT-Abteilung maßgeblich an der Auswahl und Implementierung beteiligt wird.

      Bewahrung des Status

      Bei einem Automobilzulieferer wird eine neue Führungsebene eingeführt. Die bisherigen Teamleiter fürchten um ihren Status. In den Verhandlungen wird eine Lösung erarbeitet, bei der die Teamleiter als Mentoren für die neue Führungsebene fungieren, wodurch ihr Status und ihre Erfahrung gewürdigt werden.

      Achtung der Zugehörigkeit

      In einem Handelsunternehmen gibt es Spannungen zwischen den Filialen und der Zentrale. Die Filialleiter fühlen sich von Entscheidungen ausgeschlossen. In den Verhandlungen wird beschlossen, regelmäßige Treffen zwischen Filialleitern und Zentralmanagement einzuführen, um das Gefühl der Zugehörigkeit zu stärken.

      Schutz der Werte

      Ein Bekleidungshersteller steht vor der Entscheidung, Produktion ins Ausland zu verlagern. Die Arbeitnehmer befürchten, dass dies zu einem Verlust der Unternehmenswerte führt. In den Verhandlungen wird.

      Wahrung der Anerkennung

      In einem international agierenden Marketingunternehmen steht eine Restrukturierung an, die mit einer Neuverteilung von Projekten einhergeht. Die älteren Teammitglieder befürchten, dass ihre langjährige Erfahrung und ihr Beitrag zum Unternehmenserfolg übersehen werden.

      In den Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern wird ein Konzept entwickelt, das die Erfahrungen und Errungenschaften der langjährigen Mitarbeiter besonders würdigt, indem ihnen Schlüsselrollen in neuen Projekten und bei der Mentoren-Tätigkeit für jüngere Kollegen zugeteilt werden. Dadurch fühlen sich die erfahrenen Mitarbeiter anerkannt und wertgeschätzt, was zu einer erhöhten Motivation und einem stärkeren Engagement im Unternehmen beiträgt.

      Diese Geschichten bieten praktische Beispiele, wie die Identitätsfaktoren und Verlockungen in realen betrieblichen Verhandlungssituationen eine Rolle spielen können. Sie zeigen die Komplexität und die verschiedenen Aspekte auf, die in konfliktären Verhandlungen zwischen Sozialpartnern berücksichtigt werden müssen.

      5. Fallstudie: Anwenden in der Praxis

      Fallstudie: Der schwierige Deal in der Automobil-Zuliefererindustrie

         

          • Hintergrund: In einem großen Automobilunternehmen steht eine Verhandlung über die Einführung eines neuen Schichtsystems an. Die Geschäftsleitung möchte die Effizienz steigern, während die Arbeitnehmer mehr Flexibilität und faire Arbeitsbedingungen fordern.

          • Konflikt und Herausforderung: Die Arbeitnehmervertreter befürchten längere Arbeitszeiten und weniger Freizeit, die Geschäftsführung sieht die Notwendigkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Konflikt scheint zunächst unüberbrückbar.

          • Lösungsansatz und Ergebnis für Meisterhaft Verhandeln: Ein erfahrener HR-Manager leitet die Verhandlungen. Durch die Anwendung von Shapiros Prinzipien wird ein Dialog geschaffen, der auf Anerkennung und Wertschätzung der Bedürfnisse beider Seiten basiert. Eine innovative Lösung wird gefunden: Einführung eines flexiblen Schichtmodells, das sowohl den Bedürfnissen des Unternehmens als auch den Wünschen der Mitarbeiter entspricht. Zusätzlich werden regelmäßige Feedback-Sitzungen etabliert, um die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiter zu überwachen.

        6. Erfolgs-Strategien: Praktische Tipps

        Effektive Kommunikation in Verhandlungen

           

            • Aktives Zuhören: Zeigen Sie echtes Interesse an den Ansichten der anderen Partei. Dies baut Vertrauen auf und ermöglicht ein tieferes Verständnis der zugrundeliegenden Interessen.

            • Klare und offene Kommunikation: Vermeiden Sie Fachjargon und seien Sie so klar wie möglich in Ihren Aussagen. Dies verhindert Missverständnisse und fördert eine transparente Verhandlungsführung.

          Emotionen verstehen und steuern

             

              • Emotionale Intelligenz: Seien Sie sich Ihrer eigenen Emotionen bewusst und erkennen Sie die Emotionen der anderen Partei. Dies hilft, emotional aufgeladene Situationen zu deeskalieren.

              • Positives Framing: Rahmen Sie Herausforderungen als gemeinsame Probleme, die gelöst werden müssen, statt als Konflikte. Dies fördert eine konstruktive Atmosphäre.

            Win-Win-Situationen schaffen

               

                • Kreative Lösungsansätze: Denken Sie über traditionelle Lösungen hinaus und versuchen Sie, kreative Kompromisse zu finden, die den Bedürfnissen beider Parteien gerecht werden.

                • Zukunftsorientierung: Fokussieren Sie sich darauf, eine langfristige Beziehung aufzubauen, anstatt nur kurzfristige Gewinne zu erzielen. Dies kann zu nachhaltigeren und zufriedenstellenden Ergebnissen führen.

              Eine sehr überzeugende Methode für echte „Green-Field-Ansätze“ ist das sog. Zero-Based-Budgeting, bei der unterschiedliche Entscheidungsalternativen (Minimum Level vs. Maximum Level) für die jeweiligen Bereiche erstellt wurden.

              Diese zusätzlichen Abschnitte bieten Ihnen konkrete Beispiele und anwendbare Strategien, um Ihre eigenen Verhandlungsfähigkeiten zu verbessern und erfolgreich in konfliktären Situationen zu navigieren.

              7. Weiterführende Literatur

                 

                  • D. Shapiro: Verhandeln. Die neue Erfolgsmethode aus Harvard. 2018.

                  • D. Shapiro, T. Schumacher: Die Nuancen erkennen. In: OrganisationsEntwicklung 1/24, S. 56-61.

                Inhaltsverzeichnis

                Dieser Beitrag  hebt die Bedeutung von Nuancen für meisterhaftes Verhandeln hervor und bietet praktische Ansätze hierfür. Die drei zentralen Punkte hierbei sind:

                • BATNA-Konzept: Die Bedeutung einer starken alternativen Option, wenn Verhandlungen nicht zum gewünschten Ergebnis führen, und wie diese die Verhandlungsposition stärkt.
                • Der Verhandlungsraum: Shapiro betont die Wichtigkeit des physischen und psychologischen Raums in Verhandlungen, um eine Atmosphäre der Neutralität, des Komforts und der Zusammenarbeit zu schaffen.
                • Identitätsfaktoren: Die Rolle der fünf Identitätsfaktoren (Anerkennung, Zugehörigkeit, Autonomie, Status, Werte) im Verhandlungsprozess, um zu konstruktiven und fairen Ergebnissen zu gelangen.

                Willkommen in der Welt der konfliktären Verhandlungen, wo Nuancen über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Als erfahrener Senior HR Interim Manager teile ich heute Einblicke, basierend auf die sehr erfolgreichen Methoden von Daniel L. Shapiro, Direktor des Harvard International Negotiation Program, und seinem bahnbrechenden Buch „Verhandeln. Die neue Erfolgsmethode aus Harvard“ (2018). Dieser Beitrag richtet sich an Entscheidungsträger, Personalleiter und Verhandlungsführer, die tiefer in die Kunst des Meisterhaft Verhandelns eintauchen wollen.

                1. BATNA – wenn das Harvard-Verhandlungs-Konzept scheitert

                Falls Ihr Verhandlungspartner nicht kooperativ ist oder Sie trotz der Anwendung der Harvard-Prinzipien zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gelangen, ist das enttäuschend, aber kein unerwartetes Ereignis. Gemäß dem Harvard-Konzept ist es ratsam, sich schon im Vorfeld mit dem Gedanken eines möglichen Scheiterns und alternativen Lösungswegen auseinanderzusetzen: Was können Sie unternehmen, wenn trotz der Anwendung des Harvard-Konzepts keine Einigung erzielt wird?

                Die Verfasser des Buches „Getting to Yes“ nennen die Lösung für solch eine Situation BATNA, „Best Alternative To a Negotiated Agreement“ (beste alternative Option bei Ausbleiben einer Einigung). Es ist also vorteilhaft, einen Plan B bereitzuhalten. Wenn Sie im Vorhinein einen Alternativplan erarbeitet haben, verleiht Ihnen dies nicht nur Sicherheit während der Verhandlung, sondern stärkt auch Ihre Position und Unabhängigkeit. Je besser Ihre BATNA, desto größer ist Ihre Verhandlungsstärke.

                BATNA – Best Alternative to Negotiated Agreement

                Um Ihre BATNA so präzise wie möglich zu bestimmen, gehen Sie wie folgt vor:

                   

                    • Erstellen Sie eine Liste mit potenziellen Szenarien.

                    • Entwickeln Sie Optionen, die beiden Seiten zugutekommen.

                    • Überlegen Sie, welche BATNA Ihr Verhandlungspartner möglicherweise definiert.

                    • Bewerten Sie die Erfolgschancen Ihrer BATNA anhand objektiver und realistischer Kriterien.

                  Sobald Sie Ihre BATNA kennen, sollten Sie Ihre Grenzen entsprechend festlegen. Die BATNA dient als Absicherung, um zu verhindern, dass Sie versehentlich einer Option zustimmen, die schlechter als Ihre BATNA ist. Überlegen Sie, welches Ergebnis noch immer besser als Ihre BATNA wäre. Sollte während einer Verhandlung die Gefahr bestehen, dass Ihre Grenzen in Richtung Ihrer BATNA überschritten werden, pausieren Sie die Verhandlung und bitten um Bedenkzeit.

                  2. Die Bedeutung des (Verhandlungs)Raums beim Meisterhaft Verhandeln

                  Daniel L. Shapiro, ein renommierter Experte auf dem Gebiet der Verhandlungsführung und Direktor des Harvard International Negotiation Program, betont in seinen Arbeiten zum Meisterhaft Verhandeln die Bedeutung des physischen und psychologischen Raums in Verhandlungen. Nach Shapiro ist der ideale Verhandlungsraum nicht nur ein physischer Ort, sondern vor allem auch ein symbolischer und emotionaler Raum, der bestimmte Schlüsseleigenschaften aufweist:

                     

                      1. Neutralität: Der Raum sollte als neutraler Boden angesehen werden, wo keine Partei sich im Vorteil oder benachteiligt fühlt. Dies fördert ein Gefühl der Fairness und Offenheit.

                      1. Komfort und Funktionalität: Der Raum sollte komfortabel und funktional sein, um lange Diskussionen zu ermöglichen, ohne dass die Teilnehmer sich physisch oder psychisch unwohl fühlen. Angemessene Beleuchtung, Belüftung und Sitzgelegenheiten sind dabei wesentlich.

                      1. Konfiguration zur Förderung der Zusammenarbeit: Die Anordnung der Sitzgelegenheiten sollte Zusammenarbeit statt Konfrontation fördern. Ein runder Tisch oder eine U-förmige Anordnung kann beispielsweise hilfreich sein, um eine hierarchiefreie und inklusive Atmosphäre zu schaffen.

                      1. Abwesenheit von Ablenkungen: Der Raum sollte frei von störenden Elementen sein, die die Aufmerksamkeit der Teilnehmer ablenken könnten. Dies umfasst auch die Minimierung von Unterbrechungen durch Technologie oder Personen, die nicht an der Verhandlung beteiligt sind.

                      1. Symbolische Bedeutung: Der Raum kann auch symbolische Elemente enthalten, die die Werte und Ziele der Verhandlung widerspiegeln. Zum Beispiel könnten Kunstwerke oder andere Dekorationen, die Themen wie Kooperation, Innovation oder Respekt symbolisieren, eine positive Atmosphäre schaffen.

                    Shapiro sieht den Verhandlungsraum also als einen integralen Bestandteil des Verhandlungsprozesses zum Meisterhaft Verhandeln, der sowohl die physischen als auch die emotionalen und symbolischen Bedürfnisse der Teilnehmer berücksichtigt und somit zu einer effektiveren und konstruktiveren Verhandlungsführung beiträgt. Dieser Beziehungsraum ist unterschiedlich getönt bzw. gefärbt und dessen Kern lässt sich über fünf unterschiedliche Identifikationsfaktoren des Meisterhaft Verhandelns beschreiben.

                    3. Die fünf Identitätsfaktoren: Kern einer jeden Verhandlung

                    Anerkennung

                    In einem mittelständischen Unternehmen steht eine Lohnerhöhung zur Debatte. Der Betriebsrat fühlt sich von der Geschäftsführung nicht ausreichend anerkannt, da ihre Argumente für höhere Löhne übergangen werden. Ein erfahrener HR-Manager schlägt vor, eine gemeinsame Sitzung zu organisieren, in der beide Parteien ihre Standpunkte präsentieren und gegenseitig anerkennen. Dies baut Vertrauen auf und führt zu einer konstruktiveren Diskussion.

                    Zugehörigkeit

                    Während einer Umstrukturierung in einem Technologieunternehmen entsteht das Gefühl der Ausgrenzung unter den Angestellten. Die Arbeitnehmervertreter nutzen die Verhandlungen, um die Bedeutung eines inklusiven Arbeitsumfelds zu betonen. Sie schlagen vor, regelmäßige Team-Events zu organisieren, um das Gefühl der Zugehörigkeit zu stärken.

                    Autonomie

                    Die Geschäftsführung eines Logistikunternehmens plant, die Arbeitszeiten zu straffen. Die Arbeitnehmer befürchten einen Verlust ihrer Autonomie. In den Verhandlungen stellt der Betriebsrat klar, dass flexible Arbeitszeiten für die Mitarbeiter essenziell sind. Eine Einigung wird erzielt, indem man ein Modell mit Kernarbeitszeiten und flexiblen Zeiten einführt.

                    Status

                    In einem Pharmaunternehmen fühlen sich die Laborangestellten gegenüber den Vertriebsmitarbeitern benachteiligt. In den Verhandlungen betont der Betriebsrat die Wichtigkeit jedes Mitarbeiters für den Unternehmenserfolg und fordert gleiche Weiterbildungsmöglichkeiten für alle Abteilungen.

                    Werte

                    Ein Produktionsunternehmen steht vor ethischen Fragen bezüglich Umweltstandards. Die Arbeitnehmervertreter nutzen die Verhandlungen, um die Bedeutung von Nachhaltigkeit zu unterstreichen. Ein Kompromiss wird gefunden, indem das Unternehmen sich zu strengeren Umweltstandards verpflichtet.

                    Insgesamt konzentriert sich Shapiro hier damit weniger auf die Emotionen als vielmehr auf die Grundbedürfnisse der einzelnen Menschen im Rahmen des Meisterhaft Verhandeln. Allerdings vernachlässigt er beim Meisterhaft Verhandeln nicht die Emotionen, sondern berücksichtigt sie ebenfalls gesondert als sog. Verlockungen.

                    4. Die fünf Verlockungen

                    Verteidigung der Autonomie

                    In einem IT-Unternehmen soll eine neue Software eingeführt werden. Die IT-Abteilung sieht dies als Eingriff in ihre Autonomie. In den Verhandlungen wird deutlich, dass die IT-Abteilung in den Entscheidungsprozess eingebunden werden möchte. Eine gemeinsame Lösung wird gefunden, indem die IT-Abteilung maßgeblich an der Auswahl und Implementierung beteiligt wird.

                    Bewahrung des Status

                    Bei einem Automobilzulieferer wird eine neue Führungsebene eingeführt. Die bisherigen Teamleiter fürchten um ihren Status. In den Verhandlungen wird eine Lösung erarbeitet, bei der die Teamleiter als Mentoren für die neue Führungsebene fungieren, wodurch ihr Status und ihre Erfahrung gewürdigt werden.

                    Achtung der Zugehörigkeit

                    In einem Handelsunternehmen gibt es Spannungen zwischen den Filialen und der Zentrale. Die Filialleiter fühlen sich von Entscheidungen ausgeschlossen. In den Verhandlungen wird beschlossen, regelmäßige Treffen zwischen Filialleitern und Zentralmanagement einzuführen, um das Gefühl der Zugehörigkeit zu stärken.

                    Schutz der Werte

                    Ein Bekleidungshersteller steht vor der Entscheidung, Produktion ins Ausland zu verlagern. Die Arbeitnehmer befürchten, dass dies zu einem Verlust der Unternehmenswerte führt. In den Verhandlungen wird.

                    Wahrung der Anerkennung

                    In einem international agierenden Marketingunternehmen steht eine Restrukturierung an, die mit einer Neuverteilung von Projekten einhergeht. Die älteren Teammitglieder befürchten, dass ihre langjährige Erfahrung und ihr Beitrag zum Unternehmenserfolg übersehen werden.

                    In den Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern wird ein Konzept entwickelt, das die Erfahrungen und Errungenschaften der langjährigen Mitarbeiter besonders würdigt, indem ihnen Schlüsselrollen in neuen Projekten und bei der Mentoren-Tätigkeit für jüngere Kollegen zugeteilt werden. Dadurch fühlen sich die erfahrenen Mitarbeiter anerkannt und wertgeschätzt, was zu einer erhöhten Motivation und einem stärkeren Engagement im Unternehmen beiträgt.

                    Diese Geschichten bieten praktische Beispiele, wie die Identitätsfaktoren und Verlockungen in realen betrieblichen Verhandlungssituationen eine Rolle spielen können. Sie zeigen die Komplexität und die verschiedenen Aspekte auf, die in konfliktären Verhandlungen zwischen Sozialpartnern berücksichtigt werden müssen.

                    5. Fallstudie: Anwenden in der Praxis

                    Fallstudie: Der schwierige Deal in der Automobil-Zuliefererindustrie

                       

                        • Hintergrund: In einem großen Automobilunternehmen steht eine Verhandlung über die Einführung eines neuen Schichtsystems an. Die Geschäftsleitung möchte die Effizienz steigern, während die Arbeitnehmer mehr Flexibilität und faire Arbeitsbedingungen fordern.

                        • Konflikt und Herausforderung: Die Arbeitnehmervertreter befürchten längere Arbeitszeiten und weniger Freizeit, die Geschäftsführung sieht die Notwendigkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Konflikt scheint zunächst unüberbrückbar.

                        • Lösungsansatz und Ergebnis für Meisterhaft Verhandeln: Ein erfahrener HR-Manager leitet die Verhandlungen. Durch die Anwendung von Shapiros Prinzipien wird ein Dialog geschaffen, der auf Anerkennung und Wertschätzung der Bedürfnisse beider Seiten basiert. Eine innovative Lösung wird gefunden: Einführung eines flexiblen Schichtmodells, das sowohl den Bedürfnissen des Unternehmens als auch den Wünschen der Mitarbeiter entspricht. Zusätzlich werden regelmäßige Feedback-Sitzungen etabliert, um die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiter zu überwachen.

                      6. Erfolgs-Strategien: Praktische Tipps

                      Effektive Kommunikation in Verhandlungen

                         

                          • Aktives Zuhören: Zeigen Sie echtes Interesse an den Ansichten der anderen Partei. Dies baut Vertrauen auf und ermöglicht ein tieferes Verständnis der zugrundeliegenden Interessen.

                          • Klare und offene Kommunikation: Vermeiden Sie Fachjargon und seien Sie so klar wie möglich in Ihren Aussagen. Dies verhindert Missverständnisse und fördert eine transparente Verhandlungsführung.

                        Emotionen verstehen und steuern

                           

                            • Emotionale Intelligenz: Seien Sie sich Ihrer eigenen Emotionen bewusst und erkennen Sie die Emotionen der anderen Partei. Dies hilft, emotional aufgeladene Situationen zu deeskalieren.

                            • Positives Framing: Rahmen Sie Herausforderungen als gemeinsame Probleme, die gelöst werden müssen, statt als Konflikte. Dies fördert eine konstruktive Atmosphäre.

                          Win-Win-Situationen schaffen

                             

                              • Kreative Lösungsansätze: Denken Sie über traditionelle Lösungen hinaus und versuchen Sie, kreative Kompromisse zu finden, die den Bedürfnissen beider Parteien gerecht werden.

                              • Zukunftsorientierung: Fokussieren Sie sich darauf, eine langfristige Beziehung aufzubauen, anstatt nur kurzfristige Gewinne zu erzielen. Dies kann zu nachhaltigeren und zufriedenstellenden Ergebnissen führen.

                            Eine sehr überzeugende Methode für echte „Green-Field-Ansätze“ ist das sog. Zero-Based-Budgeting, bei der unterschiedliche Entscheidungsalternativen (Minimum Level vs. Maximum Level) für die jeweiligen Bereiche erstellt wurden.

                            Diese zusätzlichen Abschnitte bieten Ihnen konkrete Beispiele und anwendbare Strategien, um Ihre eigenen Verhandlungsfähigkeiten zu verbessern und erfolgreich in konfliktären Situationen zu navigieren.

                            7. Weiterführende Literatur

                               

                                • D. Shapiro: Verhandeln. Die neue Erfolgsmethode aus Harvard. 2018.

                                • D. Shapiro, T. Schumacher: Die Nuancen erkennen. In: OrganisationsEntwicklung 1/24, S. 56-61.