Change Management

Change Management nach Kotter: Theorie hilft beim praktischen Erfolg (Teil 1)

Immer wieder treffe ich auf Verantwortliche für Veränderungen und Change Management, die von der entsprechenden Theorie kaum bis keinen Schimmer haben oder diese sogar ablehnen. Nach dem Motto: „Ich bin ein Praktiker.“ Das ist schön und gut und keinesfalls will ich ausschließen, dass auch solche Change Manager erfolgreich sein können. Aber die grundlegende Vertrautheit mit der Theorie bringt entscheidende Vorteile. Veränderungsprozesse weisen wiederholende Muster auf, auf deren Basis eine Theorie entsteht. Mit der Theorie im Hinterkopf lassen sich somit viel schneller Lösungen für übliche Probleme finden, wenn diesen Problemen nicht sogar vorgebeugt werden kann, weil sie Dank theoretischer Kenntnisse bereits von Vornherein berücksichtigt werden. Letztes Jahr im Mai habe ich Change Management nach Kurt Lewin vorgestellt. Heute soll es um Change Management nach John P. Kotter gehen. Die Theorien schließen sich keineswegs aus, vielmehr ist das Stufenmodell nach Kotter eine Verfeinerung bzw. Weiterentwicklung des Modells von Lewin. In diesem Sinne kann die Vorab-Lektüre des Lewin-Artikels durchaus hilfreich sein. Auf geht’s!

Die acht Stufen im Change Management

  1. Gefühl der Dringlichkeit vermitteln
  2. Führungskoalition aufbauen
  3. Vision und Strategie entwickeln
  4. Vision kommunizieren
  5. Hindernisse aus dem Weg räumen
  6. Kurzfristige Erfolge sichtbar machen
  7. Veränderung weiter antreiben, nicht nachlassen
  8. Veränderungen in der (Unternehmens-)Kultur verankern

Für Kotter ist die Kommunikation entscheidend

Mit einem Blick auf die acht Stufen, lässt sich leicht feststellen, dass bei hier vor allem die Kommunikation im Vordergrund steht. Die technische und strukturelle Seite des Change Managements spielt eine untergeordnete Rolle. Stattdessen geht es darum, die Belegschaft vom Change zu überzeugen, diesen auch wirklich durchzuziehen, und die geänderten Strukturen letztendlich zu festigen. Der Grund für diesen Fokus ist meiner Meinung nach vor allem ein pragmatischer: Change Management scheitert eher selten an der technischen Seite der Veränderung. Die Probleme liegen bielmehr in den Widerständen der Mitarbeiter oder im Zurückfallen in alte Muster, die einen fast schon erfolgreich abgeschlossenen Change wieder zurückverwandeln.

Kommen wir zu einem detaillierten Blick auf die einzelnen Phasen.

Gefühl der Dringlichkeit vermitteln

Image courtesy of pakorn at FreeDigitalPhotos.net

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Die Bedeutung von Kotters erster Stufe liegt auf der Hand. Tatsächlich konnte ich in den letzten Jahren in der Praxis als Interim bzw. Change Manager aber trotzdem eine interessante Feststellung machen: Je älter, traditioneller und etablierter ein Unternehmen ist, desto größer sind die Widerstände gegen Veränderung und desto schwerer ist es, diese Dringlichkeit der Veränderung deutlich zu machen. „Das haben wir schon immer so gemacht,“ „aber es läuft doch,“ sind typisch verbale Ausprägungen dieser Widerstände. Interessant ist das deshalb, da gerade diese Unternehmen den Change oft am dringendsten brauchen. Dahingegen sind junge, moderne Unternehmen, die strukturell teilweise bereits up to date sind, dem Change oftmals weniger abgeneigt – ein Generationenunterschied.

Nach Kotter müssen für einen erfolgreichen Change drei viertel des Managements und vor allem die wichtigsten Entscheider überzeugt werden. Doch was sind die passenden Rezepte? Bestimmte Daten liefern die Grundlage: Wie ist es um die Entwicklungen am Markt bestimmt? Wie steht es um die Wettbewerber? Wie zufrieden sind Kunden und was sind die Schwächen des Unternehmens? Das Management muss dazu gebracht werden, einen Blick von außen auf das eigene Unternehmen zu bekommen, denn nur so wird annähernde Objektivität möglich. Ziel ist dabei nicht das Schüren von Ängsten. Doch ein kleines bisschen Angst schadet auch nicht, sobald diese im Anschluss in eine Chance umgemünzt wird. Das Aufzeigen neuer Chancen ist die entscheidende Leistung, die gutes Change Management in dieser Phase erbringen muss.

Führungskoalition aufbauen

Ist das Gefühl der Dringlichkeit geschaffen, bedeutet das leider noch keine Unterstützung seitens entscheidender Personen – eher Akzeptanz. Damit es aber wirklich vorangehen kann, muss der Change Manager eine Koalition aufbauen. Das heißt, er braucht ein Team, das den Change als Antreiber nach vorne bringt. Wer für ein solches Team geeignet ist, muss individuell entschieden werden. Es gibt allerdings einige entscheidende Eigenschaften die nicht fehlen dürfen:

Die Mitglieder der Führungskoalition müssen teamfähig sein, kleine Teambuilding-Maßnahmen sollten zu Beginn trotzdem unbedingt ergriffen werden. Fachliches Know-how und Führungsqualitäten sind ebenfalls entscheidend. Und nicht zuletzt ist das Ansehen im Unternehmen von größter Bedeutung.

Der Führungskoalition fällt nicht nur die Entwicklung und Umsetzung des Change Managements zu. Vor allem muss im weiteren Verlauf des Veränderungsprozesses immer wieder Überzeugungsarbeit an unterschiedlichsten Stellen geleistet werden. Glaubwürdigkeit und ein gutes Standing sind Grundvoraussetzung, damit diese Überzeugungsarbeit überhaupt gelingen kann. Ein externer Change Manager muss innerhalb des Teams und im späteren Verlauf immer wieder als Moderator fungieren. Je heterogener das Team, desto wichtiger ist diese Aufgabe als Moderator. Um den Rahmen des Artikels an dieser Stelle nicht zu sprengen, mache ich hier einen Cut und führe die detaillierte Betrachtung der einzelnen Stufen des Change Management im nächsten Artikel fort. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle schon einmal das wichtigste Werk von John P. Kotter empfehlen: „Leading Change: Wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern“ (Vahlen, Oktober 2011). Das Buch ist mittlerweile eine Art Standardwerk im Change Management und auch meine Kenntnisse über Kotter fußen zu großen Teilen auf diesen 160 Seiten.

Hier gehts weiter zu Teil 2.