Veränderungen durch Change Management

Ansätze für Veränderungen: Top-down bottom-up oder doch ganz anders?

Wer tiefgreifende Verändungen im Betrieb umsetzen will, muss sich zunächst über den richtigen Management-Ansatz Gedanken machten. Wie soll der „Change“ konkret umgesetzt werden? Von oben nach unten oder unten nach oben? Neudeutsch: Top-down bottom-up?


Top-down bottom-up im Überblick

Beide Ansätze wählen den Weg von einem Ende zum anderen, nur Start und Ziel sind jeweils vertauscht.

Top-down: Veränderungen von oben nach unten

Der Top-down-Ansatz sollte weitestgehend bekannt sein. Das Top-Management plant die Veränderung und bereitet sie vor, anschließend wird sie ausgehend vom Top-Management umgesetzt. Es geht um das „Vorleben“ der Vision, bzw. der Veränderung.

Diese Veränderungen sollen dann vom mittleren Management übernommen und dann jeweils an das untere Management und von dort aus an die Mitarbeiter weitergegeben werden.

Anders als bei der Unternehmenskultur, die am besten mithilfe dieses Ansatzes nachhaltig etabliert wird, bringt Top-down bei strukturellen Veränderungen einige Probleme mit sich. Veränderungen die von oben herab angewiesen werden, stoßen grundsätzlich auf Widerstände. Dabei geht es gar nicht so sehr um die inhaltliche Seite der Veränderung.

Top-Down-Ansatz illustriert anhand einer Pyramide und einem Pfeil von oben nach unten.

Mitarbeiter bilden eine persönliche Komfortzone, aus der heraus sich der Arbeitsalltag bewältigen lässt. Tiefgreifende Veränderungen erfordern ein Verlassen dieser Komfortzone. So entstehen Widerstände und ablehnende Reaktionen.

Der Top-down-Ansatz hat noch einen weiteren Nachteil. Die Veränderung die vom Management vorgelebt und etabliert werden soll, kommt beim Mitarbeiter der untersten Hierarchieebene oft gar nicht mehr in ihrem ursprünglichen Sinn an. Man denke an das Spiel „Stille Post“. Entweder wird die Veränderung bei ihrer Weitergabe selbst verfälscht oder die Begründung für die Veränderung wird verfälscht, was wiederum Widerstände begünstigt.

Bottom-up: Veränderungen von unten nach oben

Der Bottom-up-Ansatz ist das Gegenstück zum Top-down-Ansatz. Der Veränderungsprozess beginnt in der untersten Hierarchieebene und wird nach oben fortgesetzt.

Hinter diesem Management-Ansatz steckt der Gedanke, dass die unteren Führungskräfte und deren Mitarbeiter am besten wissen, welche Veränderungen in den eigenen Bereichen notwendig und wirkungsvoll ist.

Bottom-up Management-Ansatz illustriert anhand einer Pyramide mit einem Pfeil von unten nach oben.

Die Nachteile sind offensichtlich: Ein Mitarbeiter wird sich freiwillig nicht allzu weit aus seiner Komfortzone herausbegeben. Die Widerstände sorgen dafür, dass Veränderungspotenziale nicht voll ausgeschöpft werden. Auch fehlt in diesen Hierarchieebenen oft das Know-how, um eine bereichsübergreifende Veränderung zu organisieren.

Top-down bottom-up: Vor- und Nachteile

Vorteile des Top-down-Ansatzes

  • Klare Richtungsvorgabe: Führungskräfte, die klare Visionen und Ziele setzen, sorgen für eine einheitliche strategische Ausrichtung im Unternehmen.
  • Schnelle Entscheidungsfindung: Es gibt weniger Diskussion und Debatte über zu ergreifende Maßnahmen, da Entscheidungen von der Unternehmensspitze vorgegeben werden.
  • Einfache Kommunikation: Die Weitergabe von Informationen von oben nach unten ist übersichtlich und ermöglicht eine direkte Übertragung der Führungsvorgaben.
  • Effiziente Umsetzung: In Systemen, die auf schnellen Wandel angewiesen sind, kann durch die Top-down-Methode die Implementierung von Veränderungen effizient erfolgen.

Nachteile des Top-down-Ansatzes

  • Mangelnde Mitarbeiterbeteiligung: Der Ansatz kann dazu führen, dass sich Mitarbeiter nicht ausreichend einbezogen oder gewürdigt fühlen, was zu Widerstand gegenüber Veränderungen führen kann.
  • Geringere Innovationskraft: Führungskräfte sind von der operativen Basis entfernt, was bedeuten kann, dass sie weniger Einblick in die praktischen Tätigkeiten haben und somit potenzielle Innovationen übersehen.
  • Überlastung der Führungsebene: Da Entscheidungen zentralisiert sind, kann dies zu einer Überlastung der Führungskräfte führen.
  • Risiko der Fehlentscheidung: Entscheidungen basieren möglicherweise auf unvollständigen Informationen, da die direkte Rückmeldung von Frontmitarbeitern fehlt.

Vorteile des Bottom-up-Ansatzes

  • Höhere Mitarbeiterengagement: Da Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, sind sie eher bereit, Veränderungen anzunehmen und mitzutragen.
  • Breitere Wissensbasis: Die Nutzung von Expertise und Erfahrungen aus allen Unternehmensebenen kann zu durchdachteren und innovativeren Lösungen führen.
  • Mehr Kreativität und Innovation: Die direkte Einbindung operativer Ebenen ermöglicht es, ein breites Spektrum an Ideen und Verbesserungsvorschlägen zu erhalten.
  • Bessere Problemidentifikation: Mitarbeiter an der Front können Probleme oft schneller identifizieren und Lösungen beisteuern, da sie direkt mit den relevanten Prozessen verbunden sind.

Nachteile des Bottom-up-Ansatzes

  • Zeitaufwendige Prozesse: Die Sammlung und Koordination von Mitarbeiterfeedback kann langwierig sein und Entscheidungsprozesse verzögern.
  • Schwierigkeiten in der Koordination: Das Zusammentragen und Abwägen verschiedener Meinungen und Vorschläge kann zu Koordinationsschwierigkeiten führen.
  • Potenzial für Konflikte: Verschiedene Interessen und Meinungen können interne Konflikte verursachen, die gelöst werden müssen, bevor es zu einer Einigung kommt.
  • Gefahr der Ziellosigkeit: Ohne klare Führungsvorgaben kann es passieren, dass das Unternehmen keine einheitliche Richtung verfolgt und den Bezug zur Gesamtstrategie verliert.

Alternativen zu top-down bottom-up

Both-directions-Ansatz (Gegenstromverfahren)

Der Both-directions-Ansatz nennt sich in deutscher Sprache Gegenstromverfahren. Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich um einen Zwitter zwischen Top-down- und Bottum-up-Ansatz.

Both Directions statt top-down bottom-up: Der Management-Ansatz illustriert anhand einer Pyramide mit zwei Pfeilen in jeweils entgegengesetzte Richtung.

Der Ansatz gilt inzwischen als der vielversprechendste für das Change Management. Anhand des weiter unten aufgeführten Beispiels wird das schnell deutlich.

Multiple-Nucleus-Ansatz (Fleckenstrategie)

Und dann gibt es noch „Multiple Nucleus“, die Fleckenstrategie. Die Fleckenstrategie hat sicher ihre Vorteile, ihr Einsatz ist allerdings nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen hilfreich, daher kommt sie für die wenigsten Einsätze in Frage.

Die Fleckenstrategie beinhaltet eine punktuelle Umsetzung der Veränderungen. Die Implementierung startet gleichzeitig an unterschiedlichen Stellen im Unternehmen. Der Veränderungsprozess ist erst abgeschlossen, wenn alle betreffenden Bereiche die Veränderungen umgesetzt haben.

Der Management-Ansatz "multiple nuclues" erläutert anhand einer Pyradmide mit vielen kleinen Pfeilen in beide Richtungen, nach oben und unten.

Es lässt sich schon erahnen: Die Methode endet schnell im Chaos. Daher ist die Fleckenstrategie auch nur für Teams und netzwerkartige Organisationen geeignet. Wenn die gegebene Hierarchie keine vertikale Umsetzung zulässt, muss die Implementierung horizontal und an mehreren Stellen gleichzeitig erfolgen – aber auch nur dann.

Both-directions & multiple-nucleus: Vor- und Nachteile

Vorteile des Multiple-Nucleus-Ansatzes

  • Präsenz von Innovation in mehreren Unternehmensbereichen: Durch die Bildung von Veränderungskernen innerhalb der Organisation können in verschiedenen Abteilungen oder Teams parallele Innovationen entstehen.
  • Spezialisierung auf unterschiedliche Bedürfnisse: Jeder Kern kann auf die spezifischen Anforderungen und Herausforderungen seines Bereichs reagieren und maßgeschneiderte Lösungen entwickeln.
  • Förderung von Kreativität und Eigeninitiative: Mitarbeiter können sich als Teil eines Kernteams stärker einbringen und fühlen sich für den Erfolg direkt verantwortlich.
  • Flexibilität bei Veränderungsprozessen: Die Organisation ist nicht von einem einzelnen Wandelweg abhängig und kann flexibel auf Veränderungen im Markt oder in der internen Struktur reagieren.

Nachteile des Multiple-Nucleus-Ansatzes

  • Potenzielle Koordinationsprobleme: Das Management mehrerer Innovationszentren kann schwierig sein, besonders bei der Sicherstellung einer kohärenten Gesamtstrategie.
  • Risiko von Konflikten: Verschiedene ‚Kerne‘ könnten unterschiedliche Ziele verfolgen und diverse Methoden anwenden, was zu Widersprüchen und Konflikten führen kann.
  • Erhöhte Komplexität: Die erhöhte Anzahl von Veränderungszentren führt zu einer komplexeren Organisationsstruktur, die mehr Managementaufwand erfordert.
  • Uneinheitliche Erfolgsmessung: Es kann schwieriger sein, den Erfolg zu messen und zu vergleichen, da unterschiedliche Kerne ihre eigenen Kriterien ansetzen könnten.

Vorteile des Both-Directions-Ansatzes

  • Ganzheitliche Beteiligung: Dieser Ansatz bindet sowohl die Führungsebene als auch die Mitarbeiter mit ein, was zu einer hohen Akzeptanz und Verpflichtung gegenüber Veränderungen führen kann.
  • Balancierte Perspektiven: Durch die Kombination von strategischer Übersicht der Führungskräfte und dem operativen Know-how der Mitarbeiter können Entscheidungen gut abgewogen getroffen werden.
  • Effektive Kommunikation: Der Bidirektionalitätsansatz fördert den Dialog zwischen allen Hierarchieebenen, was zu transparenteren und effektiveren Kommunikationsprozessen führt.
  • Höheres Engagement und Zufriedenheit: Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt und ernst genommen, was das Engagement erhöht und die Fluktuationsrate reduzieren kann.

Nachteile des Both-Directions-Ansatzes

  • Herausfordernde Implementierung: Balanciertes Change Management erfordert eine fein abgestimmte Strategie und ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl, um beide Richtungen zu integrieren.
  • Möglichkeit von Entscheidungsverzögerungen: Wenn viele Parteien involviert sind, kann es länger dauern, einen Konsens zu finden und Maßnahmen zu implementieren.
  • Komplexität in der Überwachung: Die Überwachung und Steuerung von Prozessen kann komplexer sein, wenn Inputs aus verschiedenen Ebenen berücksichtigt und koordiniert werden müssen.
  • Risiko der Überkompromittierung: Es besteht das Risiko, dass zu viele Kompromisse eingegangen werden, was zu unscharfen oder suboptimalen Entscheidungen führen könnte.

Die vier Ansätze im Anwendungsbeispiel

Am besten lassen sich die Ansätze vergleichen, wenn man die Veränderung an einem Beispiel anhand eines Dienstleistungsunternehmens verdeutlicht. In diesem ist folgende Veränderung geplant:

  • Aufgabe: Das komplette Unternehmen soll von innen neu gestaltet werden – moderner, mit Farbkonzept und einer neuen Sitzordnung, die mehr Teamatmosphäre schafft und dadurch effektiver sein soll.
  • Umsetzungsmöglichkeiten: Nur wo fängt man an? Sollen zuerst die Büros des Top-Managements im obersten Stockwerk erneuert werden? Oder beginnt man lieber beim Großraumbüro?
    • Top-down: Fängt man oben an, fragen sich die Mitarbeiter, warum das Top-Management (mal wieder) zuerst in den Genuss eines neuen Anstriches und einer neuen Einrichtung kommt, was zu Widerständen führt.
    • Bottom-up: Fängt man unten an, sind die Mitarbeiter genervt: angeblich soll die Atmosphäre danach besser sein, aber erstens wisse ja niemand so genau, was das bringt, zweitens sei die „Teamatmosphäre“ gar nicht gewünscht, man komme ja so schon seit zehn Jahren gut klar. Und die neuen Stühle seien auch nicht das wahre, mal ganz abgesehen von den furchtbaren Farben.
    • Both-directions: Fängt man nun aber bei den Büros des Top-Management und im Großraumbüro gleichzeitig an, werden die meisten Kritikpunkte eliminiert: Es gibt kein Gefühl der Benachteiligung. Es wird sofort deutlich, dass die Änderungen alle in gleichem Maße betreffen, was Beschwerden unwahrscheinlicher macht. Und letztendlich: Die Veränderungen sind theoretisch doppelt so schnell implementiert.

Der Vorteil der Umsetzungsgeschwindigkeit ist beim Gegenstromverfahren durchaus relevant, denn Veränderungen durchlaufen letztendlich immer die gleichen Phasen – das gilt auch für die Akzeptanz und Effektivität der Mitarbeiter.

Je schneller die Veränderungen umgesetzt sind, desto schneller wird die Effektivitätssteigerung spürbar.

Interim Management kann unterstützen

Jede dieser Methoden hat ihre eigenen Implikationen für die Bereiche Interim Management im Allgemeinen, HR-Transformation, Digitalisierung im Mittelstand, Change Kommunikation, Projekt- und Qualitätsmanagement sowie Innovation. In der Unternehmenspraxis zeigt sich, dass eine Kombination verschiedener Ansätze oft am wirkungsvollsten ist. Agile Unternehmen sind in der Lage, diese Methoden flexibel und situationsabhängig zu nutzen.

Doch wie lässt sich das richtige Modell für eine Organisation finden? Interim Management kann hier entscheidende Unterstützung bieten, indem es organisatorische Übergangslösungen schafft, welche die Bestimmung der optimalen Change Management Methode ermöglichen.

Bewährt hat sich dabei ein Vorgehen, das auf eine enge Zusammenarbeit mit den fest angestellten Führungskräften und HR-Teams setzt, um einen nachhaltigen und ganzheitlichen Wandel zu gewährleisten.

Studien zu den genannten Management-Ansätzen

Nachfolgend und zum Abschluss noch eine Übersicht relevanter und aktueller Studien zu den Managementtheorien Top-down, Bottom-up, Multiple-Nucleus und Both-Directions:

  1. Top-Down vs. Bottom-Up in Project Management: Daradkah, Al Jounidy und Qusef (2018) stellen ein Modell vor, das die beiden Ansätze im Projektmanagement kombiniert und Richtlinien bietet, wann und wie man einen der beiden Ansätze oder eine Kombination davon im Projektmanagementlebenszyklus verwenden sollte (Daradkah, Al Jounidy & Qusef, 2018).
  2. Excellent execution: Balancing Top-Down and Bottom-Up Management: Martinich (2016) diskutiert die Werte und Fallstricke der Top-Down- und Bottom-Up-Managementstile und betrachtet Wege, diese effektiv auszubalancieren (Martinich, 2016).
  3. Combined Top-Down and Bottom-Up Approach to Multilevel Supervisory Control: Komenda, Masopust und Schuppen (2015) vergleichen und kombinieren Top-Down- und Bottom-Up-Ansätze zur mehrstufigen Steuerung von diskreten Ereignissystemen und schlagen ein Modell vor, das die Stärken beider Ansätze vereint (Komenda, Masopust & Schuppen, 2015).
  4. The Integration of Scheduling and Control: Top-Down vs. Bottom-Up: Caspari, Tsay, Mhamdi, Baldea und Mitsos (2020) vergleichen Top-Down- und Bottom-Up-Paradigmen im Kontext der Integration von Zeitplanung und Steuerung in der Prozessindustrie (Caspari et al., 2020).
  5. Top-Down versus Bottom-Up Learning in Skill Acquisition: Sun und Zhang (2019) untersuchen die Interaktion zwischen impliziten und expliziten Prozessen im Fertigkeitserwerb und betonen die dynamische Interaktion zwischen Top-Down- und Bottom-Up-Lernprozessen (Sun & Zhang, 2019).
  6. The Influence of Top-Down Mode and Bottom-up Mode to National Innovation and Entrepreneurship: Li (2023) analysiert die Auswirkungen von Top-Down- und Bottom-Up-Managementmodi auf nationale Innovation und Unternehmertum, indem sie organisatorische Kultur, Führungsstile und Entscheidungsprozesse untersucht (Li, 2023).

Diese Studien bieten verschiedene Perspektiven auf die Anwendung und Integration von Top-Down- und Bottom-Up-Managementansätzen sowie ihre Auswirkungen auf Projektmanagement, Unternehmensführung und Innovationsprozesse.