Inhaltsverzeichnis
Oft begnüge ich mich in meiner Kolumne damit, mich richtig auszukotzen: Über die NSA- und/oder die BND-Affäre zum Beispiel. Heute nicht. Heute will ich die Kritik kurz halten und stattdessen ein Beispel geben, wie man es richtig macht. Wer sich für politische Diskussionen und Talks im TV interessiert und sich in der der deutschen Fernsehlandschaft umschaut, kommt schnell zu dem Schluss, dass das Gerede nicht einmal das Wasser wert ist, das während der Sendung getrunken wird. Oder kann sich jemand daran erinnern, wann eine solche Diskussion zum letzten Mal tatsächlich inhaltlich vorangekommen ist – wenn schon nicht für die Teilnehmer, dann wenigstens für die Zuschauer? Es galt ja schon als großer Moment, als Stefan Raab Angela Merkel im Kanzlerduell 2013 die Pistole auf die Brust setzte, indem er mit Nachdruck fragte: „Frau Merkel, wird es mit ihnen als Bundeskanzlerin eine Maut geben? Ja oder Nein?“ Nebenbei: Sie sagte „Nein“, die Maut kommt trotzdem.
Doch meist kommen Jauch und Co. in ihren Runden gar nicht erst auf den Punkt. Die Teilnehmer weichen gern den konkreten Fragen aus, drucksen herum, und die Moderatoren sind nicht in der Lage, mal richtig nachzuhaken, und die Gäste ein wenig unter Druck zu setzen. Fast bekommt man den Eindruck, sie müssten so handeln, damit ihnen die Gäste in der nächsten Sendung nicht wegbleiben. Falsch gedacht. Dass es auch anders geht, beweisen Polit-Talks und Diskussionsrunden im Fernsehen außerhalb von Deutschland. Mein Favorit unter den Talksendungen heißt Head to Head und wird auf Al Jazeera English (und daher leider nur in englischer Sprache) ausgestrahlt.
Das Konzept
Der Name Head to Head legt es bereits nahe: Die Diskussion findet vorrangig zwischen zwei Personen statt, dem geladenen Gast und dem Moderator Medhi Hasan. Später mehr zu seiner Person. Zwischendurch kommen weitere eingeladene Gäste zu Wort und ergänzen das Gespräch. Aber eben nur zwischendurch. Im Zentrum steht stets eine Fragestellung, die gar nicht mal spezifisch ist:
Hassen arabische Männer Frauen? Macht das Internet uns freier? Ist Religion gut oder böse? Humanitäre Intervention oder Imperialismus? Hat der politische Islam versagt? Ist die EU gescheitert?
Solche Fragestellungen sind in deutschen TV-Talks zum Scheitern verurteilt, denn in der Regel schlingern die Beteiligten zwischen unterschiedlichen Aspekten hin und her, konkret wird es erst gar nicht – was nicht zuletzt den Moderatoren, allen voran Polit-Talk-Versager Günther Jauch anzulasten ist.
Als Location dient die berühmte „Debate Chamber“ der Oxford Union in Großbritannien, dem wohl prestigeträchtigsten Debattierclub der Welt.
Der Moderator und seine Gäste
Medhi Hasan ist der Moderator von Head to Head. Der britische Mittdreißiger mit indischen Wurzeln ist Journalist und derzeit auch der Chef des Politik-Ressorts der Website von Huffington Post UK. In diesem Jahr wird er voraussichtlich ganz in die Staaten gehen, um in Vollzeit für den Sender Al Jazeera zu arbeiten. Außerdem ist Medhi Hasan ein ausgezeichneter Talkmaster: Er bleibt am Thema, duldet keine Ausflüchte, bezieht selbst oft eine harte Gegenposition zum geladenen Gast – und er kennt jede Publikation seiner Gäste, sprich: er ist ausgezeichnet vorbereitet. Wer sich zu ihm in die Sendung setzt (oder gar traut), muss sich auf ein gnadenloses Kreuzverhör einstellen. Aber zur Tradition der britischen Debattenkultur gehört eben auch der Duellcharakter. Die verbale Schärfe, die diese Diskussionen annehmen, ist beeindruckend; macht das Gespräch aber auch höchst spannend.
Die Gäste
Natürlich hängt nicht alles nur vom Moderator ab, sondern auch von den Gästen. Die müssen schon allein deshalb gute Argumente und Inhalte vorbringen, um überhaupt gegen Medhi Hasan bestehen zu können. Wer eine Sendung gesehen hat, kann sich durchaus die Frage stellen: Wer tut sich das denn überhaupt an, so hart zu debattieren? Naja, Jimmy Wales, der Gründer von Wikipedia zum Beispiel. Oder Michael Friedman, einer der berühmtesten NYT-Journalisten und dreifacher Pulitzer-Preisträger. Oder Viviane Reding, die ehemalige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission. Oder Anders Fogh Rasmussen, ehemaliger NATO Generalsekretär. Oder, oder, oder.
Doch genug der Rede, los geht’s mit einer Stunde Head to Head und der Frage, ob die EU gescheitert ist. Diese Folge ist aus unserer Perspektive auch deshalb besonders interessant, weil Deutschland bzw. Merkels EU-Politik darin eine entscheidende Rolle spielt – und gar nicht mal so gut dasteht.
In besserer Qualität findet man die Sendungen direkt bei Al Jazeera English, außerdem gibts es zu jeder Episode ein Transkript.
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Oft begnüge ich mich in meiner Kolumne damit, mich richtig auszukotzen: Über die NSA- und/oder die BND-Affäre zum Beispiel. Heute nicht. Heute will ich die Kritik kurz halten und stattdessen ein Beispel geben, wie man es richtig macht. Wer sich für politische Diskussionen und Talks im TV interessiert und sich in der der deutschen Fernsehlandschaft umschaut, kommt schnell zu dem Schluss, dass das Gerede nicht einmal das Wasser wert ist, das während der Sendung getrunken wird. Oder kann sich jemand daran erinnern, wann eine solche Diskussion zum letzten Mal tatsächlich inhaltlich vorangekommen ist – wenn schon nicht für die Teilnehmer, dann wenigstens für die Zuschauer? Es galt ja schon als großer Moment, als Stefan Raab Angela Merkel im Kanzlerduell 2013 die Pistole auf die Brust setzte, indem er mit Nachdruck fragte: „Frau Merkel, wird es mit ihnen als Bundeskanzlerin eine Maut geben? Ja oder Nein?“ Nebenbei: Sie sagte „Nein“, die Maut kommt trotzdem.
Doch meist kommen Jauch und Co. in ihren Runden gar nicht erst auf den Punkt. Die Teilnehmer weichen gern den konkreten Fragen aus, drucksen herum, und die Moderatoren sind nicht in der Lage, mal richtig nachzuhaken, und die Gäste ein wenig unter Druck zu setzen. Fast bekommt man den Eindruck, sie müssten so handeln, damit ihnen die Gäste in der nächsten Sendung nicht wegbleiben. Falsch gedacht. Dass es auch anders geht, beweisen Polit-Talks und Diskussionsrunden im Fernsehen außerhalb von Deutschland. Mein Favorit unter den Talksendungen heißt Head to Head und wird auf Al Jazeera English (und daher leider nur in englischer Sprache) ausgestrahlt.
Das Konzept
Der Name Head to Head legt es bereits nahe: Die Diskussion findet vorrangig zwischen zwei Personen statt, dem geladenen Gast und dem Moderator Medhi Hasan. Später mehr zu seiner Person. Zwischendurch kommen weitere eingeladene Gäste zu Wort und ergänzen das Gespräch. Aber eben nur zwischendurch. Im Zentrum steht stets eine Fragestellung, die gar nicht mal spezifisch ist:
Hassen arabische Männer Frauen? Macht das Internet uns freier? Ist Religion gut oder böse? Humanitäre Intervention oder Imperialismus? Hat der politische Islam versagt? Ist die EU gescheitert?
Solche Fragestellungen sind in deutschen TV-Talks zum Scheitern verurteilt, denn in der Regel schlingern die Beteiligten zwischen unterschiedlichen Aspekten hin und her, konkret wird es erst gar nicht – was nicht zuletzt den Moderatoren, allen voran Polit-Talk-Versager Günther Jauch anzulasten ist.
Als Location dient die berühmte „Debate Chamber“ der Oxford Union in Großbritannien, dem wohl prestigeträchtigsten Debattierclub der Welt.
Der Moderator und seine Gäste
Medhi Hasan ist der Moderator von Head to Head. Der britische Mittdreißiger mit indischen Wurzeln ist Journalist und derzeit auch der Chef des Politik-Ressorts der Website von Huffington Post UK. In diesem Jahr wird er voraussichtlich ganz in die Staaten gehen, um in Vollzeit für den Sender Al Jazeera zu arbeiten. Außerdem ist Medhi Hasan ein ausgezeichneter Talkmaster: Er bleibt am Thema, duldet keine Ausflüchte, bezieht selbst oft eine harte Gegenposition zum geladenen Gast – und er kennt jede Publikation seiner Gäste, sprich: er ist ausgezeichnet vorbereitet. Wer sich zu ihm in die Sendung setzt (oder gar traut), muss sich auf ein gnadenloses Kreuzverhör einstellen. Aber zur Tradition der britischen Debattenkultur gehört eben auch der Duellcharakter. Die verbale Schärfe, die diese Diskussionen annehmen, ist beeindruckend; macht das Gespräch aber auch höchst spannend.
Die Gäste
Natürlich hängt nicht alles nur vom Moderator ab, sondern auch von den Gästen. Die müssen schon allein deshalb gute Argumente und Inhalte vorbringen, um überhaupt gegen Medhi Hasan bestehen zu können. Wer eine Sendung gesehen hat, kann sich durchaus die Frage stellen: Wer tut sich das denn überhaupt an, so hart zu debattieren? Naja, Jimmy Wales, der Gründer von Wikipedia zum Beispiel. Oder Michael Friedman, einer der berühmtesten NYT-Journalisten und dreifacher Pulitzer-Preisträger. Oder Viviane Reding, die ehemalige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission. Oder Anders Fogh Rasmussen, ehemaliger NATO Generalsekretär. Oder, oder, oder.
Doch genug der Rede, los geht’s mit einer Stunde Head to Head und der Frage, ob die EU gescheitert ist. Diese Folge ist aus unserer Perspektive auch deshalb besonders interessant, weil Deutschland bzw. Merkels EU-Politik darin eine entscheidende Rolle spielt – und gar nicht mal so gut dasteht.
In besserer Qualität findet man die Sendungen direkt bei Al Jazeera English, außerdem gibts es zu jeder Episode ein Transkript.