Inhaltsverzeichnis
Der letzte Artikel zum Thema Arbeitsverhalten war doch recht trocken. Dennoch ist die Neuberger-Matrix als theoretischer Unterbau wichtig, um extra- und kontraproduktives Arbeitsverhalten beschreiben und einordnen zu können. Zum extraproduktiven Arbeitsverhalten liegen eine Menge Definitionen vor. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner liegt darin, dass extraproduktives Arbeitsverhalten stets den Unternehmenszielen dient und freiwillig gezeigt wird: Dem Kollegen unter die Arme greifen, Verbesserungsvorschläge einbringen, Rücksprache halten. Zum extraproduktiven Verhalten gibt es viele Definitionen, die am besten untersuchte Theorie bezeichnet das Verhalten als Organizational Citizenship Behaviour.
Organizational Citizenship Behaviour und seine Dimensionen
Denis Organ beschreibt das Organizational Citizenship Behaviour – OCB (Smith, Organ & Near, 1983) als ein Verhalten, das sich positiv auf die Unternehmensziele bzw. auf die Funktionalität des Unternehmens auswirkt und im Rahmen des formalen Anreizsystems stattfindet. Das heißt, es hat keinen unmittelbaren Nutzen oder bringt keine Belohnung für den Mitarbeiter und ist somit nicht opportunistisch.
Das Konzept umfasste zunächst zwei Dimensionen, später wurde es erweitert (vgl. Springer-Lehrbuch: Arbeits- und Organisationspsychologie,Hamburg 2011, S. 448):
- Atruismus: Hilfeleistungen für andere Personen
- Gewissenhaftigkeit (Sorgfältigkeit)
- Arbeitsrelevante Höflichkeit: erst abstimmen, dann loslegen
- Sportsmanship: Gelassenheit bei Ärger
- Bürgertugenden: Teilhabe am „öffentlichen Leben“ des Unternehmens
In empirischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Dimensionen stark untereinander korrelieren. Kooperationsbereitschaft konnte man letztendlich als Kern des extraproduktiven Verhaltens ausmachen, diese hängt wiederum stark von der Unterstützung durch den Vorgesetzten ab. Wenig überraschend ist das Ergebnis, dass Mitarbeiter, die eine lange Perspektive im Unternehmen haben, eher zum OCB tendieren als Mitarbeiter die demnächst die Arbeitsplatz wechseln.
Konsequenzen des extraproduktiven Arbeitsverhaltens
Man konnte recht deutlich nachweisen, dass das extraproduktive Verhalten, obwohl nicht opportunistisch, einen positiven Effekt auf die Leistungsbeurteilung durch den Vorgesetzten hat. Einer guten Führungskraft fällt auf, wenn sich jemand mehr als nötig engagiert. Die Konsequenzen für das gesamte Unternehmen konnten empirisch bislang nicht ausreichend belegt werden. Erste Studien zeigten allerdings einen Zusammenhang zwischen Altruismus und Kundenzufriedenheit. Servicequalität hängt somit auch vom Umgang der Mitarbeiter untereinander ab. Außerdem ist ein engagiertes Verhalten im Sinne der Unternehmensziele generell positiv zu werten, wenn auch nicht in jedem Fall sofort messbar.
Nach obiger Definition wäre es Selbständigen unmöglich extraproduktives Arbeitsverhalten zu zeigen. Denn jede Arbeit eines Selbständigen dient dem Vorankommen des eigenen Unternehmens, hat einen unmittelbaren Nutzen und ist somit opportunistisch. Möglicherweise liegt im fehlenden Opportunismus als Voraussetzung die Schwäche der Theorie – auch im Bezug auf Arbeitnehmer. Denn da extraproduktives Arbeitsverhalten durchaus von Vorgesetzten bemerkt und zu besseren Leistungsbeurteilungen führt, ist extraproduktives Verhalten nur so lange extraproduktiv, bis der Mitarbeiter vom positiven Effekt seines Arbeitsverhalten erfährt. In der Folge wäre das gleiche Verhalten opportunistisch und somit nicht mehr extraproduktiv. Klingt nicht sehr plausibel.
Für die Praxis: Alles auf extraproduktiv?
Nun muss man die Theorie des extraproduktiven Verhaltens einmal auf eine annehmbare Praxisanwendbarkeit herunterbrechen: Um Kooperationsbereitschaft, den Kern des Verhaltens zu fördern, benötigt es die Unterstützung des Vorgesetzten. Führungskräfte sollten also hinter ihren Mitarbeitern stehen – eine Binsenweisheit. Ähnlich verhält es sich mit dem Zusammenhang zwischen OCB und der Aufenthaltsdauer im Unternehmen: Der direkt beim Unternehmen Angestellte mit unbefristetem Vertrag wird sich eher im Sinne des Unternehmens engagieren, als der Zeitarbeiter.
Extraproduktives Arbeitsverhalten ist somit wünschenswert, allerdings mit Vorsicht zu genießen. Jeder weiß von sich selbst: Wer eine Woche lang sein Maximum gibt, ist in der darauffolgenden Woche ausgepowert. Wer über Jahre hinweg sein Maximum gibt, vernachlässigt andere Dinge neben der Arbeit und/oder landet irgendwann aufgrund von Burn-Out oder Depression auf der Patientenliste eines Psychologen.
Hinzukommt, dass extraproduktives Arbeitsverhalten als Dauerzustand sein „extra“ verliert, da es nach einer gewissen Zeit zum Normalzustand wird. Das bereits in einem vorherigen Artikel angeführte Beispiel der Überstunden passt auch an dieser Stelle: Ein Mitarbeiter, der sich für ein Projekt besonders aufopfert und Überstunden macht, wird wertgeschätzt. Werden die Überstunden aber zum Dauerzustand, verringert sich erstens die Wertschätzung und zweitens leidet der Mitarbeiter unter der plötzlichen Erwartungshaltung.
Empfehlenswert ist das Anstreben eines flexiblen Arbeitsverhaltens, nicht nur im Sinne des Unternehmens, sondern auch im Sinne der Mitarbeiter. Am besten findet ein extraproduktives Arbeitsverhalten dann statt, wenn es am meisten bringt: Der Dienst nach Vorschrift, wenn er nicht schadet, und ein intrapreneurshipartiges Verhalten, wenn der positive Effekt auf das Unternehmen größer ist, als die Verletzung der Regeln. So entsteht ein Gleichgewicht aus besonderem Engagement und Regeneration, was eine bessere Anpassung an unerwartete Umstände ermöglicht, z.B. ein großer Auftrag der unerwartet hereinkommt. Die Wahrung des Gleichgewichts ist zentrale Aufgabe der Führungskraft.
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Der letzte Artikel zum Thema Arbeitsverhalten war doch recht trocken. Dennoch ist die Neuberger-Matrix als theoretischer Unterbau wichtig, um extra- und kontraproduktives Arbeitsverhalten beschreiben und einordnen zu können. Zum extraproduktiven Arbeitsverhalten liegen eine Menge Definitionen vor. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner liegt darin, dass extraproduktives Arbeitsverhalten stets den Unternehmenszielen dient und freiwillig gezeigt wird: Dem Kollegen unter die Arme greifen, Verbesserungsvorschläge einbringen, Rücksprache halten. Zum extraproduktiven Verhalten gibt es viele Definitionen, die am besten untersuchte Theorie bezeichnet das Verhalten als Organizational Citizenship Behaviour.
Organizational Citizenship Behaviour und seine Dimensionen
Denis Organ beschreibt das Organizational Citizenship Behaviour – OCB (Smith, Organ & Near, 1983) als ein Verhalten, das sich positiv auf die Unternehmensziele bzw. auf die Funktionalität des Unternehmens auswirkt und im Rahmen des formalen Anreizsystems stattfindet. Das heißt, es hat keinen unmittelbaren Nutzen oder bringt keine Belohnung für den Mitarbeiter und ist somit nicht opportunistisch.
Das Konzept umfasste zunächst zwei Dimensionen, später wurde es erweitert (vgl. Springer-Lehrbuch: Arbeits- und Organisationspsychologie,Hamburg 2011, S. 448):
- Atruismus: Hilfeleistungen für andere Personen
- Gewissenhaftigkeit (Sorgfältigkeit)
- Arbeitsrelevante Höflichkeit: erst abstimmen, dann loslegen
- Sportsmanship: Gelassenheit bei Ärger
- Bürgertugenden: Teilhabe am „öffentlichen Leben“ des Unternehmens
In empirischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Dimensionen stark untereinander korrelieren. Kooperationsbereitschaft konnte man letztendlich als Kern des extraproduktiven Verhaltens ausmachen, diese hängt wiederum stark von der Unterstützung durch den Vorgesetzten ab. Wenig überraschend ist das Ergebnis, dass Mitarbeiter, die eine lange Perspektive im Unternehmen haben, eher zum OCB tendieren als Mitarbeiter die demnächst die Arbeitsplatz wechseln.
Konsequenzen des extraproduktiven Arbeitsverhaltens
Man konnte recht deutlich nachweisen, dass das extraproduktive Verhalten, obwohl nicht opportunistisch, einen positiven Effekt auf die Leistungsbeurteilung durch den Vorgesetzten hat. Einer guten Führungskraft fällt auf, wenn sich jemand mehr als nötig engagiert. Die Konsequenzen für das gesamte Unternehmen konnten empirisch bislang nicht ausreichend belegt werden. Erste Studien zeigten allerdings einen Zusammenhang zwischen Altruismus und Kundenzufriedenheit. Servicequalität hängt somit auch vom Umgang der Mitarbeiter untereinander ab. Außerdem ist ein engagiertes Verhalten im Sinne der Unternehmensziele generell positiv zu werten, wenn auch nicht in jedem Fall sofort messbar.
Nach obiger Definition wäre es Selbständigen unmöglich extraproduktives Arbeitsverhalten zu zeigen. Denn jede Arbeit eines Selbständigen dient dem Vorankommen des eigenen Unternehmens, hat einen unmittelbaren Nutzen und ist somit opportunistisch. Möglicherweise liegt im fehlenden Opportunismus als Voraussetzung die Schwäche der Theorie – auch im Bezug auf Arbeitnehmer. Denn da extraproduktives Arbeitsverhalten durchaus von Vorgesetzten bemerkt und zu besseren Leistungsbeurteilungen führt, ist extraproduktives Verhalten nur so lange extraproduktiv, bis der Mitarbeiter vom positiven Effekt seines Arbeitsverhalten erfährt. In der Folge wäre das gleiche Verhalten opportunistisch und somit nicht mehr extraproduktiv. Klingt nicht sehr plausibel.
Für die Praxis: Alles auf extraproduktiv?
Nun muss man die Theorie des extraproduktiven Verhaltens einmal auf eine annehmbare Praxisanwendbarkeit herunterbrechen: Um Kooperationsbereitschaft, den Kern des Verhaltens zu fördern, benötigt es die Unterstützung des Vorgesetzten. Führungskräfte sollten also hinter ihren Mitarbeitern stehen – eine Binsenweisheit. Ähnlich verhält es sich mit dem Zusammenhang zwischen OCB und der Aufenthaltsdauer im Unternehmen: Der direkt beim Unternehmen Angestellte mit unbefristetem Vertrag wird sich eher im Sinne des Unternehmens engagieren, als der Zeitarbeiter.
Extraproduktives Arbeitsverhalten ist somit wünschenswert, allerdings mit Vorsicht zu genießen. Jeder weiß von sich selbst: Wer eine Woche lang sein Maximum gibt, ist in der darauffolgenden Woche ausgepowert. Wer über Jahre hinweg sein Maximum gibt, vernachlässigt andere Dinge neben der Arbeit und/oder landet irgendwann aufgrund von Burn-Out oder Depression auf der Patientenliste eines Psychologen.
Hinzukommt, dass extraproduktives Arbeitsverhalten als Dauerzustand sein „extra“ verliert, da es nach einer gewissen Zeit zum Normalzustand wird. Das bereits in einem vorherigen Artikel angeführte Beispiel der Überstunden passt auch an dieser Stelle: Ein Mitarbeiter, der sich für ein Projekt besonders aufopfert und Überstunden macht, wird wertgeschätzt. Werden die Überstunden aber zum Dauerzustand, verringert sich erstens die Wertschätzung und zweitens leidet der Mitarbeiter unter der plötzlichen Erwartungshaltung.
Empfehlenswert ist das Anstreben eines flexiblen Arbeitsverhaltens, nicht nur im Sinne des Unternehmens, sondern auch im Sinne der Mitarbeiter. Am besten findet ein extraproduktives Arbeitsverhalten dann statt, wenn es am meisten bringt: Der Dienst nach Vorschrift, wenn er nicht schadet, und ein intrapreneurshipartiges Verhalten, wenn der positive Effekt auf das Unternehmen größer ist, als die Verletzung der Regeln. So entsteht ein Gleichgewicht aus besonderem Engagement und Regeneration, was eine bessere Anpassung an unerwartete Umstände ermöglicht, z.B. ein großer Auftrag der unerwartet hereinkommt. Die Wahrung des Gleichgewichts ist zentrale Aufgabe der Führungskraft.