Chief of Staff - Über die Rolle

Chief of Staff – Über die Rolle

Wenn Du über Chef des Stabes/ Stabschef nachdenkst, was kommt Dir dann spontan in den Sinn? Vermutlich denken sehr viele an eine politische Rolle, vielleicht eine im Bundeskanzleramt oder in einer der Staatskanzleien der Länder – und das obwohl seit einiger Zeit diese Rolle auch in der Business-Welt mehr und mehr Einzug hält. Tatsache ist, dass insbesondere in den technologischen Bereichen, diese Rolle immer häufiger anzutreffen ist. Alleine auf Indeed sind aktuell > 700 offene Stellen zu finden. Bei Stepstone sind es für den deutschsprachigen Raum alleine > 30 – interessanterweise überwiegend in Berlin bei vielen der zahlreichen Scale-Up-Unternehmen, also die schon dem Start-Up-Stadium entwachsen sind.

Nachdem ich vor gut einem Jahr einen ersten Artikel über die Aufgaben und Rahmenbedingungen eines Chief of Staff geschrieben hatte, habe ich zwischenzeitlich sehr viele direkte Anfragen für weitere Informationen und Bitten zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch bekommen. Zudem wurde der Blog-Post bisher > 20.000 mal via google aufgerufen. Von daher denke ich, dass es nun an der Zeit ist, allen Interessierten hierzu einen weiteren Mehrwert zu bieten.

Über die Rolle als strategischer Partner

Immer wieder werde ich mal gefragt, was macht eigentlich ein Chief of Staff? Die Antwort auf diese Frage ist einerseits recht einfach und andererseits doch recht schwierig, da die meisten Chief of Staff Positionen doch recht unterschiedlich sind. Das hat viel damit zu tun, dass auch die Vorgesetzten jeweils hinsichtlich Ihrer Persönlichkeiten sehr unterschiedlich sind.

Grundsätzlich führt der Chief of Staff die Mitarbeiter des Stabes des CEO bzw. des Executive-Teams und ist dessen engster Berater – sowohl strategisch als auch operativ. Es geht hierbei also darum, sowohl die wesentlichen Entscheider als auch das Unternehmen so zu unterstützen, dass sie ihre tägliche Arbeit viel produktiver und somit auch deutlich erfolgreicher erledigen können. Die Arbeit dazu erfolgt in unterschiedlichen Bereichen:

Operative Unterstützung

Die Unterstützung des Management Teams bei ihren operativen Aufgaben – und hier vor allem bei der richtigen Taktung der Führung und Organisation. Damit ist sowohl die Unterstützung bei der Erledigung der gleichsam dringen und wichtigen Aspekte gemeint, als aber auch die parallel zeitgerechte Vorbereitung künftiger Kampagnen und den damit verbundenen Aktionen und Maßnahmen. Hier geht es also um die notwendige Haltung und Umsetzungsstärke, die mit den verbundenen Absichten und Zielen in messbare Resultate umzusetzen. Denn dies schafft ein Klima von Verantwortungsbewusstsein. Stichworte hierzu sind oftmals so Dinge wie Engpasskonzentration, Schwerpunktbildung, Priorisierungen, dazu erforderliche Unterstützungen und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen.

Strategische Aufgaben

Darüber hinaus unterstützt der Chief of Staff die strategischen Initiativen im Sinne der Unternehmensführung oder Organisationsleitung, die von den Entscheidern nicht ständig selber begleitet werden können; ggf. führt er auch selber wichtige cross-funktionale oder interdisziplinäre Projekte oder Programme. Dies gilt insbesondere auch für das rechtzeitige Erkennen und beherzte Ergreifen von Chancen mit einer gewissen Risiko-Affinität – unter Berücksichtigung der möglichen Konsequenzen.

Information & Kommunikation

Hierbei geht es vor allem um die sach-, zeit- und vor allem zielgruppengerechte Vorbereitung von Kampagnen, genauso wie um die entsprechenden Leadership Key Notes mit den jeweiligen Kernbotschaften.

Enabling – Motivation & Vertrauen

Außerdem auch noch das wirkungsvolle Empowerment der unterschiedlichen Stakeholder. Vor allem geht es hierbei um das Identifizieren und Fördern derjenigen Menschen, die Verantwortung effektiv und wirkungsvoll nutzen können (Enabling). Motivation und Vertrauen sind daher wertvolle Kraft-Multiplikatoren! Klare Ziele und deutliche Erwartungen stärken das Selbstvertrauen aller Beteiligter für die gemeinsame Zielerreichung.

Courage & Mut – auch zum Widerspruch ggü. den Mächtigen

Zudem dann auch noch die regelmäßige Unterstützung bei der möglichst neutralen und ehrlichen Bewertung der Gesamtsituation, besonders relevanter Handlungsfelder und der jeweiligen Umsetzungsstärke. Das Belegen der Wahrheit anhand von Fakten, ist eine Sache. Den Entscheidern aber auch offen zu widersprechen, ist etwas anderes – und oftmals auch gefährlich. Dazu bedarf es einer ethischen Courage, die auf festen Werten basiert. Nur dadurch ist es manchmal möglich, die Dinge wirklich so umfassend zu hinterfragen, dass sie künftig team-orientiert auch konsequent anders gemacht werden.

Und damit kommen wir nun schon zu den wirklich wichtigen Persönlichkeitsmerkmalen, denn insbesondere die Rolle des Chef des Stabes lebt im Wesentlichen davon, wie der jeweilige Stelleninhaber diese Rolle mit den jeweiligen Verantwortungen ausgeübt werden.

Chief of Staff - Strategic Partner - Different Personalities
Chief of Staff – Strategic Partner – Different Characteristics & Personalities

Besonders charakteristische Aspekte für einen erfolgreichen Chef des Stabes

Niemand wird als perfekter Chief of Staff geboren. Viele Dinge lassen sich erlernen – einige davon hängen aber sehr stark von der jeweiligen Persönlichkeit und dem individuellen Reifegrad ab. Zwei prima Gegenpole als Persönlichkeiten sind z.B. Brian Rumao, dem aktuellen Chief of Staff beim Executive Chairman von LinkedIn und ihm gegenüber gestellt der ehemalige US-amerikanische Außenminister und Friedens-Nobelpreisträger George C. Marshall. Also einerseits ein junger, smarter und prima ausgebildeter und sehr engagierter Manager und andererseits ein echter Stratege, der während und unmittelbar nach dem II. Weltkrieg maßgeblich für den rasanten Aufstieg der USA zur Weltmacht mitverantwortlich war.

Ehrgeiz & Funktionsschafsinn

Beide zeichnet sicherlich ihr Ehrgeiz für die Aufgabe und ihren Funktionsscharfsinn für ihre jeweiligen Verantwortungs- und Interessenbereiche aus. Zudem verstehen sie beide sehr gut wie das Unternehmen bzw. die Organisation funktionieren, welche Strategie mit welcher Vision und Mission verfolgt wird, und wie die unterschiedlichen Funktionen innerhalb und außerhalb der Organisationen funktionieren, damit sie ihre jeweiligen Ziele erreichen können.

Selbsterkenntnis zur unterschiedlichen Wahrnehmung

Weiterhin sicherlich auch die Selbsterkenntnis, dass sie durch ihre Funktion jeweils von den Menschen in dieser Rolle anders wahrgenommen werden. Zudem sprechen sie stets auch für ihren jeweiligen Boss: Also entweder Brian für den CEO von LinkedIn oder George Marshall für den Präsidenten der USA.

Objektivität, Sensibilität & Diskretion

Darüber hinaus zeichnen sich beide sicherlich auch in ihrer grundsätzlich unvoreingenommenen und neutralen Bewertung aus, um voreilige Schlüsse zu verhindern. Gleiches gilt sicherlich auch für die beständige, vertrauensvolle Kommunikation als Basis für gegenseitiges Vertrauen zu ihren jeweiligen Auftraggebern. Die Funktion des Chief of Staff erfordert ein hohes Maß an Sensibilität und Diskretion für die persönlichen Gespräche und vertraulichen Themen. Und je besser das funktioniert, desto mehr Vertrauen wird im Laufe der Zeit aufgebaut – und nicht nur zwischen dem Boss und seinem Chief of Staff, sondern auch gegenüber den anderen Beteiligten.

Multi-Tasking und das Ausbalanzieren der operative Faktoren

Grundsätzlich sind beide sicherlich auch in der Lage, jederzeit eine Menge Aufgaben parallel zu erledigen und zusätzlich auch noch mit mehreren Projekten, Interessengruppen und Terminen jonglieren. Deshalb wird ihre Fähigkeit, Prioritäten zu setzen und Dinge zu erledigen, schon mal relativ ähnlich sein. Allerdings wird sich Brian dazu vermutlich auf die zeitliche Dimension konzentrieren. Mit ein wenig mehr Führungserfahrung – insbesondere unter kritischen oder sogar gefährlichen Rahmenbedingungen – wird er den anderen operativen Faktoren wie Ressourcen, Raum und Information grundsätzlich den gleichen Stellenwert wie die Zeit zubilligen. Entscheidend für das wirkungsvolle Bilden von Schwerpunkten z.B. um bedrohliche Engpässe zu überwinden.

Growth Mindset & Dienendes Verständnis

Abschließend an dieser Stelle sicherlich auch der sog. Growth Mindset, der es ihnen ermöglicht, aus gemachten Fehlern umgehend die notwendigen Konsequenzen für das eigene Handeln abzuleiten, um diese künftig nicht mehr zu machen. Diese Art von Wachstumsorientierung, die Neugier und das Stellen von Fragen, das Lernen aus Fehlern und das Gefühl der Widerstandsfähigkeit im Angesicht von Widrigkeiten, wird sicherlich auch allen anderen Chief of Staffs besonders wirkungsvoll und nachhaltig weiterhelfen. Dazu ist es aber auch sehr hilfreich, sich immer wieder selber demütig vor Augen zu führen, dass diese Rolle eine dienende Funktion mit 360° Perspektive ist.

Natürlich gibt es auch erhebliche Unterschiede. Aber es wäre unfair, einen noch jungen Manager mit einem der größten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts weiter zu vergleichen. Daher werde ich auf die besonderen Stärken von George C. Marshall noch mal gesondert in einem anderen Beitrag eingehen.