Strategische Neuausrichtung als Welle

Strategische Neuausrichtung – CORONA-Krise als Chance

Der CORONA-bedingte Lockdown im Frühjahr dieses Jahres war für viele Unternehmen ein Schock. Umsätze brachen innerhalb weniger Wochen einfach weg. Globale Lieferketten lösten sich teilweise einfach auf. Demgegenüber war und ist die CORONA-Pandemie ein echter Booster für die Nutzung digitaler Formate und Tools. Von heute auf Morgen mussten viele Unternehmen feststellen, dass sie einerseits auch selbst Teil des Problems sind und andererseits auch gleichzeitig Teil der Lösung sein können. Das hat zum Teil deutliche Spuren hinterlassen. Zudem müsste das doch eigentlich auch Motivation genug sein, über die strategische Neuausrichtung des eigenen Unternehmens nachzudenken. Dieser Beitrag soll Ihnen dabei helfen, Ihre Gedanken für eine strategische Neuausrichtung nicht nur zu strukturieren, sondern Ihnen hierzu vielmehr auch zweckmäßige Methoden anzubieten.

Klassische Strategien für erfolgreiche Turnarounds

Für eine strategische Neuausrichtung von Unternehmens gibt es zwar keine Blaupause. Dennoch haben sich fünf typische Strategie-Rezepte als grundsätzliche Hebel für erfolgreiche Turnarounds herauskristallisiert:

  • Organisches Wachstum für das Kerngeschäft durch Ausdehnung in neue Märkte und Diversifikation des Produkt-Portfolios
  • Anorganisches Wachstum durch gezielten Zukauf von Unternehmen oder Geschäftsfeldern
  • Verkauf von Geschäftsbereichen, Unternehmensteilen und/ oder Vermögen zur Fokussierung
  • Produkt-Fokussierung auf ertragsstarke Segmente
  • Kosten-Senkungs-Programme zur Effizienz-Steigerung

Häufig werden diese Strategien miteinander kombiniert und unterstützen sich dann gegenseitig. Veräußerungen und Kosten-Senkungs-Programme verschaffen Unternehmen oftmals zunächst einmal die notwendige Luft zum Atmen und sind somit Rahmenbedingungen oder Voraussetzungen für die dann folgende strategische Neuausrichtung.

Allerdings sind dies alles klassische Strategie-Ansätze für mögliche Turnarounds, die in zahlreichen Publikationen nachzulesen sind. Die wesentliche Frage, die sich für viele Unternehmen nun aber aufgrund CORONSA aufdrängt, lautet: Mit welcher Methoden oder welchem Methoden-Mix geht man diese Themen nun an?

Auf diese Fragen gibt die folge Übersicht erste Antworten.

Methoden für strategische Neuausrichtung

Zweckmäßige Methoden für eine strategische Neuausrichtung

Es gibt bei den einzusetzenden Methoden oftmals kein Falsch oder Richtig, sondern vielmehr nur ein Zweckmäßig oder Unzweckmäßig. Allerdings haben sich in den zurückliegenden Jahren folgende Methoden extrem bewährt:

1. Business Model

Zunächst sollte ein Modell für die strategische Neuausrichtung entwickelt werden, dass die wesentliche Aspekte des künftigen Geschäftes darstellt. Hierzu bietet sich hervorragend das Business Model Canvas an, da es übersichtlich auf einer Seite die wesentlichen Business-Elemente betrachtet. Zudem stellt es klar die jeweilige Kunden Zielgruppe mit den dafür notwendigen eigenen Wert-Angeboten – also den sog. Value Propositions – in den Fokus der Überlegungen. Zudem bietet es aber auch die betriebswirtschaftliche Bewertung hinsichtlich der mit dem jeweiligen Modell verbundenen Gewinnpotential in der Gegenüberstellung mit den zu erwartenden Aufwänden bei einer strategischen Neuausrichtung.

2. Value Propositions

Um die eigenen Wert-Angebote möglichst passgenau auf die Kunden-Bedürfnisse auszurichten, ist es oftmals sehr hilfreich, hierfür einen „Deep Dive“ durchzuführen. Damit gibt es die Möglichkeit, die eigenen Angebote hinsichtlich ihres jeweiligen Unterstützungs-, Problemlösungs- und/ oder sogar Gewinnerzeuger-Potentials deutlich intensiver zu betrachten. Vor allem geht es hierbei um den richtigen und wirkungsvollen Match zwischen den künftigen Kunden-Erwartungen und den eigenen Angeboten.

3. Vision & Mission

Auf Basis der künftigen Business Modell-Skizze in Verbindung mit den passenden Wertangeboten lässt sich dann ein „Zielfoto“ als Vision beschreiben, dass das Unternehmen mittel- bis langfristig verfolgen sollte. Dabei sollte unbedingt die Warum-Frage für die strategische Neuausrichtung eindeutig geklärt werden.

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Weitere Informationen
Start with Why – by Simon Sinek

Darüber hinaus sollte dann mit einem einfachen, knackigen und überzeugenden Mission-Statement formuliert werden, wie das Unternehmen beabsichtigt, den o.a. Zielzustand erreichen zu wollen.

Bei diesen Überlegungen wird zumeist auch rasch deutlich, worin der eigentliche Unternehmenszweck – also der „Purpose“ – künftig liegen soll. Hiermit wäre dann eine erste grundsätzliche Strategie-Skizze für die strategische Neuausrichtung erstellt.

4. Bewertung des CORONA-Impacts

Spätestens nachdem die grundsätzliche Strategie-Skizze erstellt worden ist, sollte eine risiko-orientierte finanzwirtschaftliche Bewertung der CORONA-Krise auf das eigene Geschäft erfolgen. Hierfür bietet sich das sog. V-Modell an. Auf Basis dieses Modells sollten unterschiedliche Szenare entwickelt werden, die die Auswirkungen der CORONA-Krise auf das eigenen Business kritisch hinterfragen. Hierzu bietet es sich an, zwischen einer raschen, mittleren oder langsamen Erholung der Wirtschaft zu unterscheiden.

Zusätzlich sollten hier die Ursachen für die Krise präzise differenziert werden; d.h. handelt es sich z.B. um eine Absatz- und/ oder Liefer-Krise. Denn die Maßnahmen zur Überwindung eines entsprechenden Krisenstadiums im Rahmen einer strategischen Neuausrichtung sind völlig unterschiedlich. Hilfreich dazu ist es, dass nun die wesentliche Ziele für die Umsetzung der strategischen Neuausrichtung abgeleitet werden.

5. Blue Print Outline

Die Operationalisierung der Vision- und Mission-Statements führt zu Zieldefinitionen, die möglichst SMART erfolgen sollten. Daraus lassen sich dann notwendige und erforderliche Initiativen für die Umsetzung ableiten. Die Initiativen sollten hinsichtlich der wesentlichen operativen Faktoren insbesondere hinsichtlich der notwendigen Zeit bewertet werden. Zudem sollten passende Erfolgsfaktoren oder KPIs bestimmt werden, mit dem der Umsetzungserfolg gemessen bzw. nachgewiesen werden kann.

6. Notwendige Rahmenbedingungen für die Umsetzung

Spätestens an dieser Stelle sind nun erste Überlegungen zur notwendigen Organisation notwendig. Allerdings sollte es hier noch nicht um die künftige Aufbau- und Ablauforganisation gehen, sondern vor allem darum, wer mit welchen Ressourcen und Kompetenzen die Umsetzung der Neuausrichtung planen, steuern und koordinieren soll. Hierfür bietet sich ein Project bzw. Program Management Office an, in dem quasi alle relevanten Informationen zusammenlaufen und das regelmäßig an die Geschäftsführung den jeweiligen Umsetzungsfortschritt im Rahmen der strategischen Neuausrichtung berichtet.

7. Bewertung der eigenen Fähigkeiten und Arbeits-Kapazitäten

Gemeinsam mit dem Projekt-/ Program-Manager sollte dann eine kritische Bewertung des eigenen Know-hows bei den Fach- und Führungskräften erfolgen. Zwingend notwendige Expertise, die intern nicht oder zum falschen Zeitpunkt verfügbar ist, sollte rasch von außen akquiriert werden. Auf das passende Personal-Setting als eine der wesentlichen Rahmenbedingungen für eine strategische Neuausrichtung sollte sorgsam geachtet werden.

In diesem Zusammenhang sollte dann auch über die notwendigen Arbeitskapazitäten nachgedacht werden, denn eine strategische Neuausrichtung mit Erfolgsanspruch binden meist nicht unerhebliche Ressourcen. Allerdings sollte das operative Tagesgeschäft hierunter nicht leiden.

8. Die notwendige Organisation für die strategische Neuausrichtung

Nachdem das Zielfoto, die Szenario-Bewertung, das Blueprint Design für die Umsetzung und die für die strategische Neuausrichtung notwendigen Rahmenbedingungen definiert sind, sollte auch eine erste Skizze über die künftige Organisation erstellt werden, damit diese dann im Rahmen der Umsetzung hinsichtlich der betroffenen Geschäfts-Prozesse und des Informationsflusses überprüft und ggf. angepasst wird. Dabei ist es oft hilfreich, mit einer Übergangs- und Zielstruktur zu arbeiten, damit die organisatorischen Veränderungen für die Mannschaft auch bewältigbar bleiben.

Zudem ist es spätestens an dieser Stelle unbedingt notwendig, dass die wesentlichen Rollen und Verantwortlichkeiten für die strategische Neuausrichtung verbindlich zwischen den jeweiligen Beteiligten einvernehmlich festgelegt werden. Denn das ist damit das organisatorische Fundament für die Veränderungen.

9. Passendes Change-Framework und Transformations-Strategie

Ein weiteres Erfolgskriterium ist ein einfaches und überzeugendes Change-Framework. Dieses bildet dann die Basis für die Change-Strategie.

Change-Framework für strategische Neuausrichtung.
Change-Framework für strategische Neuausrichtung

Die Change-Framework habe ich sowohl im Salesforce-Umfeld als auch bei anderen Interim-Mandaten zur strategischen Neuausrichtung von Unternehmen nun schon mehrfach erfolgreich angewendet. Und deshalb kann ich die auf der o.a. Abbildung enthaltene Kernaussage auch nur besonders nachdrücklich bestätigen.

Die eigentliche Change-Strategie sollte dann ebenfalls sehr einfach aufgesetzt werden; d.h. eine Vorbereitungs-, eine Durchführungs- und eine Nachbereitungs-Phase, die wiederum z.B. den 8-Stufen-Ansatz von Kotter umfassen sollte.

Insgesamt sind damit zunächst einmal die eigenen Vorüberlegungen beendet. Nun sollten diese aktiv mit den wesentlichen Stakeholdern gemeinsam erörtert, angepasst, optimiert und ggf. auch verworfen werden.

Aktive Beteiligung der wesentlichen Stakeholder

Die Rolle der Mitarbeiter

Eine Möglichkeit der aktiven Beteiligung ist es sicherlich, dass die Geschäftsführung oder der zuständige Projekt Manager die o.a. Überlegungen für eine strategische Neuausrichtung des Unternehmens den Mitarbeitern quasi top down präsentiert und gemeinsam diskutiert. Dabei könnte allerdings rasch das Gefühl des Vorkauens entstehen. Eine echte Aktivierung der Mitarbeiter im Sinne von „ansteckenden Ideen“ wird so allerdings kaum möglich sein.

Demgegenüber lassen sich viele der o.a. Methoden auch in einem 2-3 tägigen Workshop mit den wesentlichen Schlüssel-Ressourcen im Unternehmen rasch und konsequent erarbeiten. Die Vorteile dieser anderen Variante liegen auf der Hand: Die Mitarbeiter werden ernsthaft beteiligt. Sie haben dabei die Möglichkeit sich mit ihren Erfahrungen und Stärken selber aktiv einzubringen, und ebenfalls (Teil)Ergebnisse für eine strategische Neuausrichtung zu erarbeiten. Zudem kann eine derartige Veranstaltung als prima Kick-Off für die notwendige Veränderung dienen. Sie sollte daher vernünftig vorbereitet, durchgeführt und dokumentiert werden. Denn die erfahrenen und engagierten Mitarbeiter sind oftmals auch die wesentlichen Informations-Knotenpunkte im Unternehmen – also das (informelle) Netzwerk der eigenen Organisation, die die künftigen Veränderungen mit zu gestalten und (aus)zuleben haben. Der Vergleich der Ergebnisse mit den eigenen o.a. Überlegungen wäre dann ein erster ernstzunehmender Stresstest – insbesondere hinsichtlich der Überzeugungsfähigkeit der eigenen Überlegungen.

Demgegenüber hat dieser Ansatz allerdings auch seine Grenzen. Häufig sind die Mitarbeiter so in ihrer eigenen Organisation gefangen, dass es ihnen oftmals schwer fällt, wirklich auch „outside the box“ zu denken. Dies gilt oftmals für die Überlegungen zu den eigenen künftigen Wertangeboten – und insbesondere dann, wenn es z.B. um die echten Gewinnerzeuger für die Kunden oder um die wirklich notwendigen strategischen Partner geht. Dazu sollten dann Gespräche mit den jeweiligen (strategischen) Kunden und Lieferanten geführt werden.

Die Rolle der Kunden und Lieferanten

Die Überlegungen zu den künftigen Wert-Angeboten sollten mit den wesentlichen Kunden gemeinsam erörtert werden. Und natürlich gilt auch hier: Zuhören, zuhören und nochmals zuhören sollten hier jeweils der Schlüssel zum Erfolg sein. Denn es kann ja durchaus sein, dass weder die Kunden noch die Lieferanten sich bisher ebenfalls ernsthaft mit ihren jeweiligen Bedürfnissen auseinandergesetzt haben. Allerdings sehe ich hier in der CORONA-Krise ebenfalls die große Chance, da fast alle Unternehmen nahezu gleichzeitig Überlegungen zur künftigen strategischen Neuausrichtung machen müssen.

Die Rollen weiterer Stakeholder

Die Überlegungen zur strategischen Neuausrichtung des Unternehmens sollten natürlich auch mit weiteren wesentlichen Stakeholder erörtert werden. Vielfach wird es sicherlich weitere konstruktive Hinweise zur Optimierung der eigenen Überlegungen geben – oder ggf. auch klare Ansagen, wenn diese in mögliche Sackgassen laufen. Aber auch diese Hinweise verstärken nur die Chancen und minimieren zumeist die Risiken.

Fazit

Neben den klassischen Strategie-Elementen für eine strategische Neuausrichtung von Unternehmen sollten die Verantwortlichen in den Unternehmen sich auf ein gleichsam pragmatisches und umfassendes Methoden-Repertoire abstützen. Dies bildet die Basis dafür, dass die richtigen Überlegungen sach- und zeitgerecht angestellt werden. Und dafür sind dann keine Monate sondern oftmals nur wenige Tage notwendig. Und länger sollte das auch oftmals nicht dauern, denn ein Plan ist und bleibt ein Plan – egal ob strategisch, operativ oder taktisch.