Out of Order - Kolumne

NSA-Affäre: Ein Problem namens Eikonal

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Erst im August habe ich über die NSA-Affäre geschrieben, doch es kommt mir vor, als sei es schon wesentlich länger her. Das liegt nicht zuletzt daran, dass in den letzten Wochen und Monaten andere Themen auf der Informationsagenda dominierten: IS, Israel, Ukraine. Zu oft habe ich nur die Überschriften bezüglich NSA gelesen. Ein großer Fehler, wie ich dieser Tage feststellen musste. Denn wenn man sich das Treiben um den NSA-Untersuchungsausschuss ansieht, bleibt einem die Demokratie im Halse stecken. Der Untersuchungsausschuss arbeitet an der Aufklärung – mit Vollgas im Rückwärtsgang – so viel ist sicher. Aber was im Rahmen der Untersuchung zutage gefördert wird, und was drumherum zusätzlich passiert, ist schon erschreckend genug.

Codewort Eikonal

Letztendlich zweifelt niemand daran, dass im Rahmen der NSA-Affäre massiv Grundrechte verletzt wurden und vielleicht auch immer noch verletzt werden. Inzwischen hat das Kind aber einen Namen: Eikonal. Eikonal beschreibt eine streng geheime, gemeinsame Operation von BND und NSA. Kurz zusammengefasst: Die NSA wollte Zugriff auf die Daten, die den Internet-Knoten Frankfurt durchlaufen; der BND sollte sie weiterleiten. Nur so nebenbei: Der Knoten in Frankfurt namens DE-CIX ist der größte Internet-Knoten der Welt mit einem Datendurchsatz von 3,4 Terrabit pro Sekunde zu Spitzenzeiten. Im Gegenzug gab es für den BND ein ordentliches Paket Abhörtechnik. Klingt für mich nach Panzerknacker-Deal: Zeig mir den Weg zum Geldspeicher, ich zeig Dir im Gegenzug, wie man ihn aufbricht. Natürlich sollten deutsche Bundesbürger von den Abhörmaßnahmen verschont bleiben, dafür gab es entsprechende Filter. Nur: Die Filter haben niemals funktioniert. War scheinbar nicht so wichtig. Außerdem war man technisch nicht wirklich in der Lage zu überprüfen, was die Amerikaner eigentlich abgreifen. Das ist schon ziemlich dramatisch, was der Sache aber die Krone aufsetzt: Es gibt das G-10-Gesetz, dass eine teilweise Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses im Rahmen geheimdienstlicher Operationen ermöglicht. Für die Einhaltung des Gesetzes ist das G-10-Kontrollgremium verantwortlich. Bezüglich Eikonal und G-10 schreibt die SZ:

„Im BND wurde diskutiert, ob man zumindest das G-10-Gremium über den wahren Charakter der Operation informieren müsse. Die Frage landete im Kanzleramt, wurde wieder diskutiert und, so scheint es, mit Nein beantwortet.“

Man kann das auch so ausdrücken: „Wir scheißen auf das Grundgesetz.“ Pardon, aber so ist es. Eikonal wurde 2008 offiziell beendet, was auch immer das heißen mag. Verantwortlich für Eikonal war maßgeblich unser heutiger Außenminister Frank-Walter Steinmeier, damals ebenfalls Außenminister.

Jetzt wird aufgeklärt: NICHT.

Bad Aibling

Die Abhörstation in Bad Aibling, via Wikipedia.

Jetzt gibt es den NSA-Untersuchungsausschuss, der aufklären soll. Auch in öffentlichen Sitzungen, damit die Bevölkerung endlich erfährt, was schiefgelaufen ist und inwiefern hier Grundrechte verletzt wurden. Das Problem ist nur, dass die Personen, die vor dem Ausschuss sprechen, öffentlich nichts sagen dürfen. Na gut, das stimmt so nicht: Sie dürfen nichts von Relevanz sagen.

Andre Meister von netzpolitik.org hat die Aussagegenehmigung, in der festgelegt wird, worüber (nicht) gesprochen werden darf hier mal zusammengefasst.

Darin verbietet der BND den Zeugen jegliche Aussagen zu folgenden Themen: “die Vorlage sächlicher Beweismittel zum Untersuchungsgegenstand, insbesondere von Akten”, “Vorgänge, die bei Einsetzung des Untersuchungsausschusses” noch nicht “abgeschlossen waren”, “Vorgänge, die dem Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung zuzuordnen sind”, “Angaben, welche die Persönlichkeitsrechte Dritter verletzen” (sic!), Informationen, die der “Wahrung des Wohls des Bundes oder eines Landes (Staatswohl)” entgegenstehen, “Informationen, deren Gegenstand spezifisch nachrichtendienstliche Arbeitsweisen sind”, “Informationen, die auf die Identität nachrichtendienstlicher Verbindungen des (BND) schließen lassen”, “Angaben zu offenkundig schutzbedürftigen militärischen Einsatzverfahren oder militärischen Fähigkeiten.”

Wer möchte kann sich das Protokoll einer Befragung ebenfalls bei netzpolitik.org durchlesen. Ich habe das getan und dabei genau zwei Feststellungen gemacht: Was relevant ist, ist NÖ (nicht öffentlich). Was aber dennoch deutlich wird ist die Abhängigkeit des BND von den Amerikanern – die ja auch nichts Gutes verheißt.

Ich bin mit mittlerweile ziemlich sicher: Wir werden niemals erfahren, was da genau passiert ist. Warum auch? Wer die Grundrechte in einer Demokratie mit Füßen tritt, tut besser daran, kein Wort zu verlieren. Und was vertraulich ist bleibt vertraulich, sonst droht Anzeige. Schöne neue Welt.

Wird sich daran was ändern? Nein.

Wird es schlimmer? Vielleicht.