Zeit

Zeit als operativer Faktor

Lange Zeit ging es hier nur um Motivation im engeren und weiteren Sinne. Heute aber kehren wir zurück zu einem klassischen Führungsthema: Zeit als operativer Faktor. Neben Personal, Informationen und Finanzen gehört Zeit zu den wichtigsten Faktoren: Sie ist nicht nur ständig knapp, sondern sie ist auch ein Faktor, der sich nicht ohne weiteres aufstocken lässt. Eine Finanzspritze kann helfen, neues Personal kann eingestellt werden und unter Umständen auch Zeitdruck vermindern, aber der Tag hat weiterhin nur 24 Stunden. Ich kann nicht zählen, wie oft ich schon erlebt habe, dass auch fähige Führungskräfte wieder und wieder die benötigte Zeit für ein Projekt, einen Auftrag, etc. unterschätzen. Woran liegt es und was kann man dagegen tun?

Die Gründe zeitlicher Fehleinschätzungen

Im Betriebsalltag werden Zeiten ständig falsch eingeschätzt. Entweder wird die tatsächliche benötigte Zeit unterschätzt oder das Tempo des eigenen Teams überschätzt. Beides liegt sehr nah beieinander und führt letztendlich zum gleichen Ergebnis: Es fehlt Zeit. Dennoch gibt es einen Unterschied zwischen beiden Fehleinschätzungen, und dieser muss der Führungskraft bewusst sein, wenn sie die Zeit beim nächsten Mal besser einschätzen möchte. Im ersten Fall geht es darum, dass der Aufgabenumfang unterschätzt wird. Im zweiten Fall wird die Leistungsfähigkeit des eigenen Teams überschätzt – ein wichtiger Unterschied. Manche Führungskräfte neigen dazu, Zeit nach dem Motto „das sollte doch zu schaffen sein“ oder „ich wünsche mir, wir schaffen es in der Zeit“ ein. Der zu optimistische Blick auf die tatsächliche Situation passiert dabei oft unbewusst. Der Führungskraft ist eventuell nicht klar, dass die Mitarbeiter auch noch mit anderen Aufträgen betreut sind, die ebenfalls fertig werden müssen. Werden Auftragsabwicklungen zu kurz angesetzt, hat das oft mit dem Druck seitens des Kunden zu tun. So fragt der Kunde z.B.l ob nicht doch einen Tag eher geliefert werden könnte? Antwort: „Bekommen wir hin!“ Entweder weil der Kunde wichtig ist oder weil der Geschäftsführer dazu neigt, keinen Auftrag abzulehnen. Anstelle des Kunden kann natürlich auch die nächsthöhere Managementebene stehen.

Die Zeit reicht hinten und vorne nicht

Wer diesen Satz ausspricht, beschreibt einen Zeitmangel größeren Ausmaßes. Tatsächlich zeigt dieser Satz aber auch, an welchen Stellen die meisten Fehleinschätzungen zustande kommen. Meiner Erfahrung nach, werden die Vorbereitungs- bzw. Einarbeitungsphase und der Zeitaufwand der Schlussphase unterschätzt. Woran liegt das? In der Anfangsphase erfolgt die Abstimmung und Vorbereitung, dieser Teil eines Projektes oder Auftrags ist am schwierigsten einzuschätzen. Es tauchen schnell die ersten Konflikte auf, die den Zeitplan durcheinanderbringen. Dann erfolgt die maßgebliche Teil der Umsetzung, der in der Regel relativ nah am Zeitplan erfolgt. Erst zum Ende hin taucht der Zeitdruck wieder auf. Das kann wiederum mehrere Gründe haben. Oftmals rückt der Zeitplan im Laufe der Umsetzung aus dem Fokus, sodass erst spät auffällt, was noch bis zur Fertigstellung fehlt. Ein weiterer Grund kann darin liegen, dass in der Abschlussphase – bei der „Kontrolle“ – noch Unstimmigkeiten auffallen, deren Ausbesserung zusätzliche Zeit in Anspruch nimmt. Die Floskel „hinten und vorne nicht“ ist im Bezug auf die Zeit also oftmals präziser als man denkt.

Fehleinschätzungen vermeiden

Um Fehleinschätzungen von Anfang an zu vermeiden, müssen Führungskräfte abseits der Ideallinie denken. Eventuelle Konflikte und Komplikationen müssen unbedingt berücksichtigt werden. Am besten funktioniert dies, wenn man schon in die Planung andere wichtige Personen mit einbezieht. Wenn der Kunde oder das Management am Telefon fragt, in welcher Zeit geliefert werden könne, dann ist es durchaus empfehlenswert, ein kurzes Meeting abzuhalten, bevor man eine unüberlegte Antwort gibt.

Zeit

Zur realistischen Einschätzung der Zeit muss der Führungskraft außerdem den oben erwähnten Phasen bewusst sein. Ein simples, anschauliches Bild kann dabei helfen. Man stelle sich einen Auftrag als Strecke vor, die mit einem Auto abzufahren ist. Gestartet wird bei null. Zunächst muss also beschleunigt werden, um langsam Fahrt aufzunehmen. Geht es an den Hauptteil, ist man auf Reisegeschwindigkeit angekommen. Vor dem Ziel allerdings muss man bremsen, um an der Linie zum Stehen zu kommen, folglich nimmt das Ende wieder mehr Zeit in Anspruch. Das Bild lässt sich sogar noch ausbauen: Bei einem einfachen Auftrag ist die Strecke einfach, das Team wird sich wahrscheinlich mit gleichmäßiger Geschwindigkeit in Richtung Abschluss bewegen. Ist der Auftrag komplizierter, muss man damit rechnen, dass sich die Geschwindigkeit zwischendurch (mehrfach) verringert, da Hindernisse auf der Strecke wahrscheinlich sind.

Man könnte über eine solche Veranschaulichung lachen, aber sie hilft tatsächlich. Führungskräfte müssen allerdings auch in der Lage zu sein, „wichtig“ von „dringend“ zu unterscheidend.

Der Tag hat doch mehr Stunden als geglaubt

Übrigens gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Zeitaufwand im Betriebsablauf zu verringern. Überflüssige Kommunikation ist zum Beispiel eines der größten Probleme im Büroalltag, mehr dazu in meinem Blogartikel. Führungskräfte müssen immer ein Auge auf Optimierungspotenziale haben, übrigens ist gutes Selbstmanagement die Grundvoraussetzung für gute Arbeit in einer Führungsposition. Wer sich selbst nicht organisieren kann, versagt mit Sicherheit auch bei der Organisation seines Teams.