Ausschnitt zur Job-Diagnostic-Survey des Job Characteristics Model.

Das Job Characteristics Model: Die perfekte Tätigkeit für höchste Arbeitszufriedenheit

Was sind die Merkmale einer Tätigkeit, die mit größtmöglicher Leistungsmotivation und Arbeitszufriedenheit ausgeführt wird? Hackman und Oldham haben sich die Frage gestellt, wie eine Tätigkeit beschaffen sein muss, um die intrinsische Motivation anzusprechen. Das Job Characteristics Model ist die Antwort der beiden Wissenschaftler.

Die Grundbedingungen des Modells

In den 1970er-Jahren entwickelten J. Richard Hackman und Greg Oldham ein Modell, um zu erklären, wie die Gestaltung von Arbeitsaufgaben die Mitarbeitermotivation beeinflusst. Nach ihrem „Job Characteristics Modell“ muss der Mitarbeiter zu drei psychologischen Erlebniszuständen kommen, aus denen sich die maximale Arbeitszufriedenheit ergibt:

  1. Der Mitarbeiter muss die Ergebnisse seiner Arbeit kennen und beurteilen können.
  2. Der Mitarbeiter muss Verantwortung für die Ergebnisse seiner Tätigkeit empfinden.
  3. Der Mitarbeiter muss seine Tätigkeit als bedeutsam empfinden.

Die fünf Merkmale einer zufriedenstellenden Tätigkeit

Nun ist die Frage, wie diese drei Erlebniszustände erreicht werden können. Dafür konnten Hackman und Oldham fünf wesentliche Merkmale einer Tätigkeit ausmachen. Diese sind laut Job Characteristics Model maßgeblich für die Förderung der intrinsischen Motivation eines Mitarbeiters.

Anforderungsvielfalt: Abwechslung zählt

Mitarbeiter wollen gefordert werden, und zwar am besten vielfältig. Eine Aufgabe sollte also nach Möglichkeit unterschiedliche motorische, geistige und soziale Fähigkeiten erfordern.

Ganzheitlichkeit: Das große Ganze verstehen

Hackman und Oldham gehen davon aus, dass der Fließbandarbeiter, der immer die gleichen fünf Schrauben in ein Werkteil dreht, mit seiner Arbeit unzufriedener ist, als jemand, der ein zusammenhängendes Produkt oder eine Dienstleistung in größerem Umfang erstellt.

Denn letzterer kann seiner eigenen Arbeit eine größere Bedeutung, einen größeren Stellenwert im Gesamtprozess abgewinnen.

Das Job-Characteristics-Model nach Hackman und Oldham
Das Job-Characteristics-Model nach Hackman und Oldham. Quelle: Grap, via Wikipedia (CC-BY-SA-3.0).

Bedeutsamkeit: Die Sinnfrage

Ein Mitarbeiter, der weiß, dass seine persönliche Tätigkeit maßgeblich zur Kundenzufriedenheit beiträgt, wird eher mit sich und seiner Arbeit zufrieden sein, als jemand der die Konsequenzen seiner Tätigkeit nicht kennt. Der eigene Beitrag für den Unternehmenserfolg sollte erkennbar sein.

Diese Merkmale hängen allesamt mit der Bedeutung der eigenen Tätigkeit zusammen. Nach Hackman und Oldham können sich diese Eigenschaften auch gegenseitig beeinflussen, ganz im Gegensatz zu den folgenden, im Job Characteristics Model für sich stehenden, Merkmalen:

Autonomie: Selbständigkeit als Motivation

Die Autonomie meint die Eigenverantwortung, mit der die Mitarbeiter ihre Mittel, Wege und Teilziele wählen. Verantwortung zu geben heißt, Einfluss, Bedeutung und Selbstbestimmung zu geben – etwas, das Mitarbeiter in der Regel begrüßen.

Rückmeldung: Wertschätzung durch Feedback

Feedback, Feedback, Feedback. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Feedback eines der wichtigsten Mittel ist, um Mitarbeiter zu motivieren. Wohlgemerkt geht es um konstruktives Feedback. Mitarbeiter, die ihre Fehler selbst korrigieren dürfen, verbessern sich mit der Zeit und entwickeln einen größeren Ehrgeiz, Fehler zu vermeiden.

Für die Arbeitszufriedenheit sind Merkmale der Person und Merkmale der Arbeit verantwortlich. Das Job-Characteristics-Model blendet die Merkmale einer Person völlig aus, obwohl diese auch die Bedeutung der einzelnen Merkmale für eine Person beeinflussen. Dennoch gibt es inzwischen viele Belege dafür, dass die Tätigkeit selbst für die Motivation von großer Bedeutung ist.

Das Job Characteristics Model in der Praxis

Hackman und Oldham haben der praktischen Anwendbarkeit ihres Job Characteristics Models selbst auf die Sprünge geholfen und auf dessen Basis den Job-Diagnostic-Survey (siehe Wikipedia) entwickelt. Dabei handelt es sich um einen standardisierten Fragebogen, mit dem ein Unternehmen das eigene Motivationspotenzial feststellen kann.

Dieser Fragebogen dient als Diagnoseinstrument für Motivationspotenziale; ermöglicht dadurch Verbesserungen, die dann wiederum durch einen zweiten JDS überprüft werden können. Ein JDS umfasst insgesamt 81 Items, die auf einer Skala von 1-7 bewertet werden. So könnte ein Item zum Beispiel aussehen:

Meine Vorgesetzten geben mir regelmäßig Rückmeldungen über die Qualität meiner Arbeit.

Nach der Auswertung eines solchen Fragebogens sollte ersichtlich sein, wo die Problemstellen im Unternehmen liegen.

Meine Erfahrung als HR Interim Manager: Unternehmen stellen nach der Anwendung eines JDS meist fest, dass es so gut wie keine Feedback-Kultur gibt – diese wird in Deutschland nämlich allgemein sehr unterschätzt oder besser nicht sehr geschätzt.

Die Auswirkungen auf Arbeitsmotivation und Produktivität

Jedes Unternehmen strebt nach einer optimal funktionierenden, produktiven und zufriedenen Mitarbeiterschaft. Das Verständnis und die Nutzung der Prinzipien des Job Characteristics Model können hier bahnbrechend sein.

Motivation durch Arbeitsgestaltung: Ein neuer Ansatz

Das Job Characteristics Model hebt die Bedeutung einer Arbeitsgestaltung hervor, die über generische Arbeitsplatzbeschreibungen hinausgeht. Durch eine strategische Arbeitsgestaltung, welche den Grad der Autonomie erhöht, für Abwechslung sorgt, und die Einzelnen die Relevanz ihrer Arbeit verstehen lässt, kann die Motivation nachhaltig gesteigert werden.

Die Mitarbeiter sind dadurch eher bereit, sich in ihre Aufgaben einzubringen und somit die Produktivität sowie die Qualität ihrer Arbeit zu steigern. Dies wiederum trägt zu einem positiveren Arbeitsumfeld und einer starken Unternehmenskultur bei. All das sind Faktoren, die sich positiv auf die Mitarbeiterbindung auswirken.

Produktivitätssteigerung und Mitarbeiterzufriedenheit: Langfristige Vorteile

Die korrekte Anwendung des Job Characteristics Model erzielt mehr als nur kurzfristige Produktivitätssteigerungen. Es führt zu einer nachhaltigen Verbesserung der Arbeitszufriedenheit, zu geringeren Fluktuationsraten und einer besseren Bindung qualifizierter Arbeitskräfte an das Unternehmen. Langfristig kann dies zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine effektivere Nutzung des Humankapitals führen.

Entsprechend sind Themen wie die Mitarbeiterentwicklung, die Aufgaben der Personalentwicklung oder auch der Mitarbeiter-Lebenszyklus eng mit diesem Modell verbunden.

Herausforderungen und Kritik

Kein Modell ist ohne Kritik oder Herausforderungen; das Job Characteristics Model ist hier keine Ausnahme.

  • Individualität versus Generalisierung: Ein Diskussionspunkt zielt darauf ab, dass das Job Characteristics Model tendenziell eine Generalisierung vornimmt, die den individuellen Differenzen und kulturellen Kontexten der Angestellten nicht immer gerecht wird. Die facettenreichen Bedürfnisse, Wertvorstellungen und Präferenzen, die die Reaktion auf die definierten Arbeitsmerkmale beeinflussen, finden nicht immer ausreichende Berücksichtigung in dem angenommenen universellen Motivationspotential dieser Merkmale.
  • Kontext- und Branchensensitivität: Die spezifische Unternehmens- und Branchenkontexte, in denen das Modell zur Anwendung kommt, könnten eine differenzierte Betrachtung erfordern. Was in einem Arbeitsumfeld eine motivierende Wirkung entfaltet, mag in einem anderen Kontext nicht zutreffen oder könnte gar entgegengesetzte Effekte erzielen.
  • Integration von Teamarbeit: Ursprünglich für individuell ausgelegte Arbeitsplätze konzipiert, berücksichtigt das Job Characteristics Modell Aspekte der Gruppenarbeit und Teamdynamik nur bedingt. Faktoren wie Gruppenkohäsion, interpersonelle Konflikte und kollektive Verantwortlichkeit, die in teambasierten Arbeitsumgebungen wesentlich sind, werden im Modell nicht explizit adressiert.
  • Schwerpunkt auf der intrinsischen Motivation: Die Fokussierung des Modells auf intrinsische Motivation könnte die Bedeutung extrinsischer Anreize, wie finanzielle Vergütungen, Boni und weitere materielle Vorteile, welche ebenfalls signifikant zur Motivation beitragen können, unterbewerten.
  • Operationalisierung: Die im Modell umrissenen Kerncharakteristika der Arbeit sind einer kritischen Auseinandersetzung unterworfen, da ihre Messbarkeit und praktische Umsetzbarkeit Herausforderungen darstellen können. Dies erschwert möglicherweise die Ableitung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung dieser Arbeitscharakteristika.
  • Relevanz für verschiedene Jobprofile: Die Anwendbarkeit des Job Characteristic Models mag für Fach- und Führungskräfte sowie in kreativen Berufen offensichtlicher sein als für Positionen mit niedriger Qualifikationsstufe oder stark routinemäßigen Tätigkeiten, bei denen die Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung limitierter erscheinen. Ein offener Dialog mit solchen Mitarbeitern über die Ausgestaltung ihrer Aufgaben und eine flexible Haltung gegenüber der Anwendung der Prinzipien dieses Modells sind wesentlich, um es effektiv anzupassen und weiterzuentwickeln.
  • Digitale Arbeitskräfte und Remote-Arbeit: Arbeitskräfte, die beispielsweise remote arbeiten, benötigen andere Strukturen der Aufgabenautonomie und Rückmeldung, um motiviert und produktiv zu bleiben. Das Job Characteristics Model wird sich in Zukunft darauf einstellen müssen, diesen neuen Realitäten gerecht zu werden, ohne dabei seine grundlegenden Prinzipien zu verlieren.

Literaturempfehlung