Transfergesellschaften
Über Sinn und Unsinn von Transfergesellschaften wird gestritten, seit dem es dieses Instrument gibt. Denn während eine Transfergesellschaft, bzw. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) den massenhaften Personalabbau für den Arbeitgeber vereinfacht (und oft auch vergünstigt), so ist der Nutzen für den Arbeitnehmer nach wie vor fraglich. An dieser stelle Stelle werde ich daher einige unterschiedliche Meinungen und Fakten zusammentragen und eine Bestandsaufnahme zum Thema „Transfergesellschaft – ja oder nein?“ liefern.
Eine Idee der Neunziger
Zum besseren Verständnis sei kurz erklärt, woher das Instrument Transfergesellschaft überhaupt kommt: Um einer drohenden Massenarbeitslosigkeit nach der Wende entgegenzuwirken, entstanden in den neuen Bundesländern die BQGs, die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (siehe auch: strukturelles Kurzarbeitergeld), die Arbeitnehmer befristet übernahmen. Arbeiter aus der ehemaligen DDR sollten hier weitergebildet und in neue Arbeitsmärkte vermittelt werden. Mitte der Neunziger wurde das Modell auch auf die alten Bundesländer übertragen, um Branchenkrisen (z.B. in der Werftindustrie) abzufangen. Eine Branchenkrise war zu diesem Zeitpunkt noch Voraussetzung für den Beschäftigtentransfer. Im dritten Sozialgesetzbuch (SGB III) wurde die Maßnahme 1998 für alle Unternehmen unabhängig von Branchenkrisen geöffnet. Maßgebliche Stütze bei der Finanzierung ist das Transferkurzarbeitergeld, dass maximal zwölf Monate lang ausgezahlt werden kann. Das vorrangige Ziel des „Beschäftigtentransfers“ in neue Unternehmen, sorgte dafür, dass man heute nicht mehr von BQGs, sondern von Transfergesellschaften spricht.
Transfergesellschaften aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftersicht
Aus Sicht eines Arbeitgebers, der einer Massentlassung entgegensieht, sind Transfergesellschaften ein Segen. Dank der Übernahme durch eine Transfergesellschaft werden die Mitarbeiter auf dem Papier erst einmal gar nicht arbeitslos. Dadurch kann das Image des Unternehmens bestmöglich gewahrt werden. Gleichzeitig ist die Installation einer Transfergesellschaft auch für den Arbeitgeber oftmals kostengünstiger. Gerade große Unternehmen können massenhafte Kündigungsklagen vermeiden, und werden dadurch wiederum für Investoren interessant, die zuvor noch von einer möglichen Klagewelle abgeschreckt wurden. Diese Investoren bedienen sich auch gerne des unschönen Tricks, die Überführung der Belegschaft in die Transferbeschäftigung zur Voraussetzung für eine Investition zu machen, um bei späterer Sanierung einen Teil der Arbeitnehmer wieder einzustellen, ohne dabei auf soziale Kriterien Rücksicht nehmen zu müssen. Ein weiterer Vorteil für den Arbeitgeber besteht in der Möglichkeit Kündigungsfristen zu vermeiden, da die Arbeitnehmer sofort in die Transfergesellschaft wechseln können. Gewerkschafter können einen Beschäftigtentransfer ebenfalls als Erfolg verbuchen – Arbeitslosigkeit wird vermieden, zumindest vorerst. Auch für die Bundesagentur für Arbeit führt die Transferbeschäftigung zu einer Entlastung.
Transfergesellschaften aus Arbeitnehmersicht
Kommen wir zum Streitpunkt beim Thema Transfergesellschaft: Der Nutzen für den Arbeitnehmer. Scheinbare Vorteile liegen auf der Hand: Die zeitliche Verschiebung, im besten Falle Vermeidung der Arbeitslosigkeit, Betreuung und Weiterbildung, Probearbeit und Praktika, mögliche Bewerbungen aus einem Arbeitsverhältnis heraus. Und dennoch streiten sich die Gelehrten. Die Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.) des Arbeitsministeriums NRW lobt die Möglichkeiten des Beschäftigtentransfers regelmäßig in den Himmel und kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass Transfergesellschaften besser sind als ihr Ruf (hier geht’s zu den Ergebnissen). Doch auch das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) hat unter Leitung von Dr. Hilmar Schneider (Direktor für Arbeitsmarktpolitik) einen Bericht (hier geht’s zum Bericht) erstellt und festgehalten, dass Transfergesellschaften keine höheren Vermittlungserfolge erzielen, als die Agentur für Arbeit. Im Interview mit der Wirtschaftswoche bezeichnet Schneider die Transfergesellschaften gar als „Geldverschwendung“ und „völlig überflüssiges Instrument“.
Zumindest sind die Transfergesellschaften ein kleiner Lichtblick für den Arbeitnehmer, der die Arbeitslosigkeit unbedingt vermeiden will. Zuletzt ist das Instrument im Rahmen der Schlecker-Insolvenz in den Medien aufgetaucht. Die Bemühungen um die Installation einer Transfergesellschaft sind hier letztendlich an der Politik gescheitert, was für einen Großteil der Belegschaft ein herber Rückschlag war – und das obwohl die Chancen auf eine neue Beschäftigung erwiesenermaßen nicht unbedingt höher gewesen wären.
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hallo, habe heute zum ersten Mal Transfergesellschaft in Zusammenhang mit mir und der AfA gelesen!!!! Bin seit 1. September arbeitslos und habe heute durch die Vertretung meines AfA-Beraters erfahren, dass ich …. (Kopie aus Mail) ich bin sein Vertreter, ihre „Probearbeit“ dürfte kein Problem darstellen. Sie sind derzeit auch noch nicht arbeitslos, sondern in einer Transfergesellschaft. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg! …. (Ende e-Mail)
Braucht mir mein Berater dieses nicht zu sagen???
Ich hatte um eine Bestätigung gebeten, dass mir eine Probearbeit genehmigt wird, damit ich im Falle eines Unfalls abgesichert bin.
Vielen Dank für Ihren Beitrag und frohes Schaffen
Claudia Reicheneder
Hallo Frau Reicheneder,
vielen Dank für Ihren Kommentar, den ich wie folgt verstehe: Sie haben von Ihrem bisherigen Arbeitgeber eine Änderungskündigung erhalten und befinden sich seit dem 01.09.2013 in einer Transfergesellschaft. Hierbei handelt es sich um eine sog. betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE), die nun für Sie den Übergang in den Arbeitsmarkt organisiert. Diese Gesellschaft ist nun vorübergehend Ihr neuer Arbeitgeber. Von daher hat der Vertreter Ihres AfA-Berater grundsätzlich Recht mit der Aussage, dass Sie de jure noch nicht arbeitslos sind. De facto sind Sie aber von Arbeitslosigkeit bedroht.
Die Probearbeit ist eine Fördermaßnahme gem. § 111 Abs. 7 SGB III. Diese Maßnahmen werden durch Ihren Arbeitgeber in (enger) Abstimmung mit der zuständigen AfA geplant und durchgeführt. Das erhöht einerseits den Abstimmungsaufwand für Sie deutlich, da Sie grundsätzlich diese Dinge nun sowohl mit der Transfergesellschaft als auch mit Ihrem Berater der AfA abstimmen müssen. Andererseits besteht durch diese Regelung aber auch immer die Möglichkeit, dass Sie eine „zweite Meinung“ als Beratungsleistung erhalten. Dies kann gerade dann hilfreich sein, wenn es um zielgerichtete Weiterqualifizierungsmaßnahmen geht.
Auf jeden Fall empfehle ich Ihnen immer beide Seiten mit in Ihre Überlegungen einzubinden, wenngleich die Transfergesellschaft als Ihr gegenwärtiger Arbeitgeber dabei immer noch der erste Ansprechpartner ist. Konkret erfolgt also die Absicherung Ihrer Probearbeit durch die Transfergesellschaft. Bitte besprechen Sie dies daher mit den Ansprechpartnern bei der Transfergesellschaft und fordern Sie deren Dienstleistungen ein. Denn genau dafür wird diese besondere Gesellschaft bezahlt.
Darüber hinaus empfehle ich Ihnen zusätzlich bezogen auf Ihre eigene Zeitplanung, diese „Doppelabstimmungen“ immer mit zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem solange, wie die Mitarbeiter der Transfergesellschaft und Ihr Berater bei der AfA noch nicht eingespielt sind.
Abschließend empfehle ich Ihnen bei weiteren Unklarheiten eine profunde Rechtsberatung von einer fachlich versierten Stelle wie z.B. einem Fachanwalt für Arbeitsrecht einzuholen. Sollte dies nicht möglich sein, müssten auch die Beratungstellen für Verbraucher oder auch die Gewerkschaften weiterhelfen können.