Inhaltsverzeichnis
Als ich von Ostwestfalen nach Berlin umgezogen bin, dachte ich: Mensch, der öffentliche Nahverkehr wird ein Segen sein. Ich werde mich morgens überhaupt nicht beeilen müssen, denn verpasse ich mal eine S- oder U-Bahn, dann warte ich einfach gerade mal vier Minuten. Endlich nicht mehr aus dem Haus zu hetzen, um einen bestimmten Bus zu bekommen. Endlich keine Angst mehr zu spät zu kommen. Das dachte ich – aber ich täuschte mich.
Es lässt sich keine wirklich schlüssige Erklärung dafür finden, aber natürlich hat sich die Hektik am Morgen kein bisschen geändert. Jetzt versuche ich eben doch eine bestimmte Bahn zu bekommen, beeile mich und ärgere mich, wenn ich die Wunschbahn verpasse und vier, möglicherweise sogar sechs Minuten warten muss. Nicht zehn Minuten wie in Bielefeld, sondern sechs. Aber der Ärger ist der gleiche. Wieder mal zu lange am Kaffee geschlurft. Das Rausgehen hinausgezögert. Diese Verzögerungen ziehen sich durch den gesamten Tagesablauf. Ich bin jemand, der nicht immer, aber doch schon oft auf den letzten Drücker ist. Aktuellstes Beispiel? Diese Kolumne. Die sollte sich eigentlich schon seit gestern Abend im Backend befinden, aber da ich weiß, dass Stefan Bornemann erst am Montagmorgen damit rechnet. Also schreibe ich sie eben jetzt um sieben Uhr morgens im ICE auf dem Weg von Bielefeld nach Berlin. Schande über mich – aber das erste Frühlingswochenende war zu verführerisch für andere Dinge.
Über das Phänomen des Aufschiebens (Fachwort: Prokrastination) wurde inzwischen alles gesagt und geschrieben. Es gilt als ein ekliges Laster, von dem ganz besonders die junge, studierende Generation betroffen ist. Ich habe jahrelang dagegen angekämpft: Mit To-Do-Listen, Plänen, Zeitoptimierung, Büchern. Hat alles nichts geholfen.
Gar nichts tun statt Aufschieben
Zwischendurch raubte mir dieses Aufschiebeproblem wirklich den Schlaf. Ich habe Dinge vor mir hergeschoben, die Zeit für „Nichtstun“ genutzt, konnte dabei aber kein bisschen entspannen, da immer diese To-Do-Liste im Hinterkopf war und nach Abarbeitung schrieh. Inzwischen ist das (etwas) besser. Es gibt ein paar Dinge, die man akzeptieren und lernen muss:
- Die vollständige Abarbeitung der To-Do-Liste wird für immer in Traum bleiben, wenn du selbstständig bist. Nichts zu machen. Wer ein eigenes Unternehmen führt, und auch wenn man als Chef selbst der einzige Mitarbeiter ist, hat immer etwas zu tun. Sonst läuft sowieso etwas schief. (Dieses Gefühl immer etwas zu tun zu haben, die Arbeit eben niemals im Büro lassen zu können, ist meiner Meinung nach übrigens die größte Belastung für Selbstständige. Größer noch als der eigentliche reale Arbeitsaufwand.)
- Prokrastination ist keine Krankheit, sondern kann auch ein Gewinn sein. Etwas auf den letzten Drücker zu tun, führt bei mir zu maximaler Effektivität. Ich gelange viel schneller und auch fast ohne Umwege zum Ziel, wenn ich weiß, dass ich demnächst dort ankommen muss. Das Ergebnis zählt. Und wenn das Ergebnis gut ist, interessiert es keinen, ob man in drei Wochen oder einer konzentrierten Nachtschicht am Ziel angekommen ist.
- Effektivität, auch im Nichtstun. Man muss lernen, sich zu hundert Prozent auf das zu konzentrieren, was man gerade tut. Nichts Neues. Aber wenn man gerade erfolgreich den Tag verklüngelt, obwohl die To-Do-Liste nicht einmal auf einen DIN-A3 Block passt, dann muss man eine Entscheidung treffen. Wenn man weiß, dass man eh nichts mehr macht, außer am Schreibtisch sitzen und Stunden mit dem Googeln von „Zeitmanagement“ verbringt, dann muss man sich zum Nichtstun entscheiden. Die Entscheidung ist wichtig. Denn erst nach einer bewussten Entscheidung kann man effektiv nichts tun. Effektives Nichtstun heißt etwas Angenehmes machen, bei dem die To-Do-Liste nicht im Hinterkopf herumschreit.
Der letzte Punkt ist der wichtigste. Denn, (passt auf, jetzt kommts), das Treffen bewusster Entscheidungen, auch zum Nichtstun, hat bei mir bereits dazu geführt, dass ich nicht mehr so oft auf den letzten Drücker dran bin. Im Grunde genommen ist so einfach. Es gilt diesen hässlichen Schwebezustand zwischen Arbeiten und Nichtstun zu vermeiden. Dieses Rumhängen vor dem Bildschirm. Unbedingt vermeiden. Und dabei ist es erstmal egal in welche Richtung. Der Effekt wird letztendlich positiv sein. Und schon ist diese Kolumne fertig. Nach einer Stunde und 15 Minuten. Gestern Abend hätte ich mindestens 2,5 Stunden dafür gebraucht. Seht ihr?
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Als ich von Ostwestfalen nach Berlin umgezogen bin, dachte ich: Mensch, der öffentliche Nahverkehr wird ein Segen sein. Ich werde mich morgens überhaupt nicht beeilen müssen, denn verpasse ich mal eine S- oder U-Bahn, dann warte ich einfach gerade mal vier Minuten. Endlich nicht mehr aus dem Haus zu hetzen, um einen bestimmten Bus zu bekommen. Endlich keine Angst mehr zu spät zu kommen. Das dachte ich – aber ich täuschte mich.
Es lässt sich keine wirklich schlüssige Erklärung dafür finden, aber natürlich hat sich die Hektik am Morgen kein bisschen geändert. Jetzt versuche ich eben doch eine bestimmte Bahn zu bekommen, beeile mich und ärgere mich, wenn ich die Wunschbahn verpasse und vier, möglicherweise sogar sechs Minuten warten muss. Nicht zehn Minuten wie in Bielefeld, sondern sechs. Aber der Ärger ist der gleiche. Wieder mal zu lange am Kaffee geschlurft. Das Rausgehen hinausgezögert. Diese Verzögerungen ziehen sich durch den gesamten Tagesablauf. Ich bin jemand, der nicht immer, aber doch schon oft auf den letzten Drücker ist. Aktuellstes Beispiel? Diese Kolumne. Die sollte sich eigentlich schon seit gestern Abend im Backend befinden, aber da ich weiß, dass Stefan Bornemann erst am Montagmorgen damit rechnet. Also schreibe ich sie eben jetzt um sieben Uhr morgens im ICE auf dem Weg von Bielefeld nach Berlin. Schande über mich – aber das erste Frühlingswochenende war zu verführerisch für andere Dinge.
Über das Phänomen des Aufschiebens (Fachwort: Prokrastination) wurde inzwischen alles gesagt und geschrieben. Es gilt als ein ekliges Laster, von dem ganz besonders die junge, studierende Generation betroffen ist. Ich habe jahrelang dagegen angekämpft: Mit To-Do-Listen, Plänen, Zeitoptimierung, Büchern. Hat alles nichts geholfen.
Gar nichts tun statt Aufschieben
Zwischendurch raubte mir dieses Aufschiebeproblem wirklich den Schlaf. Ich habe Dinge vor mir hergeschoben, die Zeit für „Nichtstun“ genutzt, konnte dabei aber kein bisschen entspannen, da immer diese To-Do-Liste im Hinterkopf war und nach Abarbeitung schrieh. Inzwischen ist das (etwas) besser. Es gibt ein paar Dinge, die man akzeptieren und lernen muss:
- Die vollständige Abarbeitung der To-Do-Liste wird für immer in Traum bleiben, wenn du selbstständig bist. Nichts zu machen. Wer ein eigenes Unternehmen führt, und auch wenn man als Chef selbst der einzige Mitarbeiter ist, hat immer etwas zu tun. Sonst läuft sowieso etwas schief. (Dieses Gefühl immer etwas zu tun zu haben, die Arbeit eben niemals im Büro lassen zu können, ist meiner Meinung nach übrigens die größte Belastung für Selbstständige. Größer noch als der eigentliche reale Arbeitsaufwand.)
- Prokrastination ist keine Krankheit, sondern kann auch ein Gewinn sein. Etwas auf den letzten Drücker zu tun, führt bei mir zu maximaler Effektivität. Ich gelange viel schneller und auch fast ohne Umwege zum Ziel, wenn ich weiß, dass ich demnächst dort ankommen muss. Das Ergebnis zählt. Und wenn das Ergebnis gut ist, interessiert es keinen, ob man in drei Wochen oder einer konzentrierten Nachtschicht am Ziel angekommen ist.
- Effektivität, auch im Nichtstun. Man muss lernen, sich zu hundert Prozent auf das zu konzentrieren, was man gerade tut. Nichts Neues. Aber wenn man gerade erfolgreich den Tag verklüngelt, obwohl die To-Do-Liste nicht einmal auf einen DIN-A3 Block passt, dann muss man eine Entscheidung treffen. Wenn man weiß, dass man eh nichts mehr macht, außer am Schreibtisch sitzen und Stunden mit dem Googeln von „Zeitmanagement“ verbringt, dann muss man sich zum Nichtstun entscheiden. Die Entscheidung ist wichtig. Denn erst nach einer bewussten Entscheidung kann man effektiv nichts tun. Effektives Nichtstun heißt etwas Angenehmes machen, bei dem die To-Do-Liste nicht im Hinterkopf herumschreit.
Der letzte Punkt ist der wichtigste. Denn, (passt auf, jetzt kommts), das Treffen bewusster Entscheidungen, auch zum Nichtstun, hat bei mir bereits dazu geführt, dass ich nicht mehr so oft auf den letzten Drücker dran bin. Im Grunde genommen ist so einfach. Es gilt diesen hässlichen Schwebezustand zwischen Arbeiten und Nichtstun zu vermeiden. Dieses Rumhängen vor dem Bildschirm. Unbedingt vermeiden. Und dabei ist es erstmal egal in welche Richtung. Der Effekt wird letztendlich positiv sein. Und schon ist diese Kolumne fertig. Nach einer Stunde und 15 Minuten. Gestern Abend hätte ich mindestens 2,5 Stunden dafür gebraucht. Seht ihr?