Inhaltsverzeichnis

Ende letzten Jahres las ich zufällig in einer Regionalzeitung folgenden Passage zum neuen ESUG von einem lokalen Steuerberater: „Sollten Sie bei Ihrer Jahresplanung feststellen, dass Sie nicht mehr zahlungsfähig sind, dann helfe ich Ihnen gerne und wir stellen gemeinsam die Zahlungsfähigkeit wieder her.“ Prima Angebot, denkt vielleicht der eine oder andere Unternehmer. Aber hier ist absolute Vorsicht geboten! 

Die Zahlungsunfähigkeit

Der Begriff der „Zahlungsunfähigkeit“ ist ein rechtlicher „Terminus Technicus“, der auf dem § 17 InsO basiert. Demnach gibt es grundsätzlich nur Zahlungsfähigkeit oder eben die Zahlungsunfähigkeit. Ist die Zahlungsunfähigkeit bei einer juristischen Person erst einmal eingetreten – d.h. Liquiditätsstatus und -planung weisen eine Liquiditätslücke > 10% ggü. den fälligen Verbindlichkeiten auf – ist gem. § 15a Abs. 1 InsO spätestens innerhalb von drei Wochen durch die zuständigen Organvertreter oder durch die Gläubiger ein Insolvenzantrag zu stellen. Die Zahlungsunfähigkeit löst also eine Antragspflicht aus. Die Insolvenzantragspflicht dient dem Gläubigerschutz, indem vermieden werden soll, dass das unternehmerische Risiko auf die Gläubiger verlagert wird. Zudem trifft die Verantwortlichen die Darlegungs- und Beweislast, dass sie ihre Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt haben (BGH-Urteil vom 14.05.2007 – II ZR 48/06 Rn. 16).

Zahlungsunfähigkeit

Wer hiergegen verstößt, dem droht der Gesetzgeber, selbst bei Fahrlässigkeit – und die ist hierbei sehr einfach nachweisbar – schon, massive Strafen an (vgl. § 15a Abs. 4 +5 InsO). Zudem haften die Geschäftsführer – d.h. auch faktische Geschäftsführer wie z.B. Berater, Wirtschaftsprüfer, etc. – der Gesellschaft für Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geleistet worden sind (vgl. § 64 GmbHG; § 92 AktG). Die Haftung für Zahlungen nach § 64 GmbHG beginnt, sofern in objektiver Hinsicht ein Insolvenzeröffnungsgrund vorliegt (vgl. BGH-Urteil vom 24.05.2005; Rn. 13). Das heißt, Fristbeginn ist der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und die Kenntnis davon. Muss später doch „Regelinsolvenz“ angemeldet werden, wird der Insolvenzverwalter hierauf sicherlich zurückkommen und die Verantwortlichen in Anspruch nehmen. Das gilt übrigens auch für fehlerhaftes Verhalten seitens der Gläubiger.

Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen als probates Mittel?

Der o.a. Steuerberater führte dann weiter aus, „durch entsprechende Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen den Zustand der Zahlungsunfähigkeit vorübergehend zu beseitigen“. Dies kann aber nur maximal innerhalb von drei Wochen nach Feststellung des Liquiditätsstatus erfolgen. Aber wie werden diese Zugeständnisse dann ggü. den Gläubigern begründet? Teilt der Steuerberater denen wirklich mit, dass sein Mandant gegenwärtig bereits zahlungsunfähig ist? Sind bei den Gläubigern z.B. Banken vertreten, gehen dort bereits jetzt alle Warnlampen an. Denn sowohl Stundungs- als auch Ratenzahlungsvereinbarungen sind nicht nur de facto sondern auch de jure Sanierungsbeiträge der Gläubiger und werden wie ein Neukredit betrachtet. Nur ist dieser Neukredit dann ein Sanierungs- bzw. Problemkredit; und hierfür gelten andere Voraussetzungen (vgl. BaFin – MaRisk, Rundschreiben 15/ 2009 (BA) vom 14.08.2009). Gem. dieses MaRisk hat der Kreditgeber auf Basis eines Sanierungsgutachtens (IDW ES 6 n.F. in Vbdg. mit der entsprechenden Rechtsprechung des BGH hierzu), die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit zu bewerten und seine Kreditentscheidung zu treffen.

Verschleierung der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation

Werden die Gläubiger aber im Vorfeld einer entsprechenden Stundungsvereinbarung aber  über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der juristischen Person im Unklaren gelassen und kommt es dann später doch zur klassischen Regelinsolvenz, werden regelmäßig noch andere Straftatbestände geprüft, denn der Gesetzgeber will während Unternehmenskrisen diese Dinge geahndet wissen. Hier werden dann Straftatbestände wie Betrug, Kreditbetrug, Untreue, Verletzung der Buchführungspflicht, Gläubiger- und/ oder Schuldnerbegünstigung bis hin zu Bankrott geprüft. Dazu sollte man sich vor Augen führen, wann und wie ein möglicher Insolvenzverwalter grundsätzlich sein Geld verdient. Damit meine ich nicht seine Gebühren, die er vom Insolvenzgericht gem. der Gebührenordnung bekommt. Vielmehr nutzt er im Regelinsolvenzverfahren hierzu vornehmlich die Zeit zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung. Neben dem Einrichten entsprechender Massekredite oder der Vorfinanzierung der Insolvenzgeldzahlungen, kann er bei entsprechenden Vollmachten durch das Gericht, offene Forderungen einziehen und mittels Insolvenzanfechtung Vermögenswerte  „zurückholen“. Je nach “Bissigkeit“ des Verwalters kann das zu ziemlichen Ärger für alle Beteiligten führen.

Noch vorhandene Zahlungsfähigkeit ist Voraussetzung für das „Schutzschirmverfahren“ gem. ESUG

Voraussetzung für die Eigenverwaltung gem. § 270b InsO – also dem sog. neuen „Schutzschirmverfahren“ gem. ESUG – ist, das der Antragsteller nicht zahlungsunfähig ist, er den Antrag dazu selber stellt und keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu Nachteilen der Gläubiger führen wird. Also Zahlungsfähigkeit muss bis zur Antragsstellung weiter gegeben sein. Am einfachsten gelingt dies, wenn der „neue“ vorläufige Gläubigerausschuss dem Antrag einstimmig zustimmt. Dieser vorläufige Gläubigerausschuss ist auch ein neues Instrument des ESUG und muss durch das zuständige Gericht für wirtschaftlich bedeutendere Fälle gem. den Schwellenwerten aus § 267 Abs. 1 Nr.1 bis 3 HGB zwingend bestellt werden. Zudem wird dem Schuldner ein (vorläufiger) Sachwalter anbei gestellt, der die wirtschaftliche Lage zu prüfen und zu überwachen hat. Die Bescheinigung der Sanierungsfähigkeit ist aber von einer juristisch unabhängigen Person zum Schuldner und Sachwalter gem. IDW ES 9 zu erstellen. Aber Achtung: Der Schuldner begründet im Schutzschirmverfahren bereits Masseverbindlichkeiten. Deshalb sollte auf jeden Fall ein Insolvenzfachmann diese Art der Sanierung begleiten.

Begriffliche Präzisierungen als Empfehlungen

Von daher schlage ich hier grundsätzlich folgende begriffliche Präzisierung vor:

Im Rahmen der Prüfung auf Zahlungsunfähigkeit sollten etwaige Zahlungsstockungen innerhalb von längsten 3 Wochen ausgeglichen werden. Bei weiterer drohender Zahlungsunfähigkeit sollte ein Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung als Alternative zum Regelinsolvenzverfahren geprüft werden. Insbesondere die Möglichkeiten der Insolvenzordnung bieten Unternehmen die Möglichkeit, sich umfassend und nachhaltig zu sanieren.

Vielleicht denken Sie, warum macht der sich eigentlich so eine Mühe. Ganz einfach: Das ESUG ist sehr neu und ich hatte im letzten Jahr zwei Sanierungsmandate betreut, und mich dabei wiederholt über die fehlenden Kenntnisse oder erhebliche Widersprüchen von Fachanwälten und Spezialisten ggü. nahezu allen Beteiligten ziemlich geärgert. Denn wenn man die richtigen Leute im Vorfeld zum richtigen Zeitpunkt zusammenbringt, dann wird das ESUG sicherlich das werden, wovon sich der Gesetzgeber auch den nachhaltigen Erhalt von Arbeitsplätzen und Vermögensgegenständen verspricht.

Abschließend sollten etwaige Fachleute aufpassen, dass Sie bei Veröffentlichungen nicht nur das Richtige meinen sondern auch schreiben. Denn es könnte ja durchaus auch mal sein, das ein Finanzbeamter mit entsprechendem Schwerpunkt einen derartigen Artikel liest und dann tätig wird. Und dann sind alle Beteiligten sehr schnell im Erklärungsnotstand.

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Ende letzten Jahres las ich zufällig in einer Regionalzeitung folgenden Passage zum neuen ESUG von einem lokalen Steuerberater: „Sollten Sie bei Ihrer Jahresplanung feststellen, dass Sie nicht mehr zahlungsfähig sind, dann helfe ich Ihnen gerne und wir stellen gemeinsam die Zahlungsfähigkeit wieder her.“ Prima Angebot, denkt vielleicht der eine oder andere Unternehmer. Aber hier ist absolute Vorsicht geboten! 

Die Zahlungsunfähigkeit

Der Begriff der „Zahlungsunfähigkeit“ ist ein rechtlicher „Terminus Technicus“, der auf dem § 17 InsO basiert. Demnach gibt es grundsätzlich nur Zahlungsfähigkeit oder eben die Zahlungsunfähigkeit. Ist die Zahlungsunfähigkeit bei einer juristischen Person erst einmal eingetreten – d.h. Liquiditätsstatus und -planung weisen eine Liquiditätslücke > 10% ggü. den fälligen Verbindlichkeiten auf – ist gem. § 15a Abs. 1 InsO spätestens innerhalb von drei Wochen durch die zuständigen Organvertreter oder durch die Gläubiger ein Insolvenzantrag zu stellen. Die Zahlungsunfähigkeit löst also eine Antragspflicht aus. Die Insolvenzantragspflicht dient dem Gläubigerschutz, indem vermieden werden soll, dass das unternehmerische Risiko auf die Gläubiger verlagert wird. Zudem trifft die Verantwortlichen die Darlegungs- und Beweislast, dass sie ihre Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt haben (BGH-Urteil vom 14.05.2007 – II ZR 48/06 Rn. 16).

Zahlungsunfähigkeit

Wer hiergegen verstößt, dem droht der Gesetzgeber, selbst bei Fahrlässigkeit – und die ist hierbei sehr einfach nachweisbar – schon, massive Strafen an (vgl. § 15a Abs. 4 +5 InsO). Zudem haften die Geschäftsführer – d.h. auch faktische Geschäftsführer wie z.B. Berater, Wirtschaftsprüfer, etc. – der Gesellschaft für Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geleistet worden sind (vgl. § 64 GmbHG; § 92 AktG). Die Haftung für Zahlungen nach § 64 GmbHG beginnt, sofern in objektiver Hinsicht ein Insolvenzeröffnungsgrund vorliegt (vgl. BGH-Urteil vom 24.05.2005; Rn. 13). Das heißt, Fristbeginn ist der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und die Kenntnis davon. Muss später doch „Regelinsolvenz“ angemeldet werden, wird der Insolvenzverwalter hierauf sicherlich zurückkommen und die Verantwortlichen in Anspruch nehmen. Das gilt übrigens auch für fehlerhaftes Verhalten seitens der Gläubiger.

Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen als probates Mittel?

Der o.a. Steuerberater führte dann weiter aus, „durch entsprechende Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen den Zustand der Zahlungsunfähigkeit vorübergehend zu beseitigen“. Dies kann aber nur maximal innerhalb von drei Wochen nach Feststellung des Liquiditätsstatus erfolgen. Aber wie werden diese Zugeständnisse dann ggü. den Gläubigern begründet? Teilt der Steuerberater denen wirklich mit, dass sein Mandant gegenwärtig bereits zahlungsunfähig ist? Sind bei den Gläubigern z.B. Banken vertreten, gehen dort bereits jetzt alle Warnlampen an. Denn sowohl Stundungs- als auch Ratenzahlungsvereinbarungen sind nicht nur de facto sondern auch de jure Sanierungsbeiträge der Gläubiger und werden wie ein Neukredit betrachtet. Nur ist dieser Neukredit dann ein Sanierungs- bzw. Problemkredit; und hierfür gelten andere Voraussetzungen (vgl. BaFin – MaRisk, Rundschreiben 15/ 2009 (BA) vom 14.08.2009). Gem. dieses MaRisk hat der Kreditgeber auf Basis eines Sanierungsgutachtens (IDW ES 6 n.F. in Vbdg. mit der entsprechenden Rechtsprechung des BGH hierzu), die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit zu bewerten und seine Kreditentscheidung zu treffen.

Verschleierung der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation

Werden die Gläubiger aber im Vorfeld einer entsprechenden Stundungsvereinbarung aber  über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der juristischen Person im Unklaren gelassen und kommt es dann später doch zur klassischen Regelinsolvenz, werden regelmäßig noch andere Straftatbestände geprüft, denn der Gesetzgeber will während Unternehmenskrisen diese Dinge geahndet wissen. Hier werden dann Straftatbestände wie Betrug, Kreditbetrug, Untreue, Verletzung der Buchführungspflicht, Gläubiger- und/ oder Schuldnerbegünstigung bis hin zu Bankrott geprüft. Dazu sollte man sich vor Augen führen, wann und wie ein möglicher Insolvenzverwalter grundsätzlich sein Geld verdient. Damit meine ich nicht seine Gebühren, die er vom Insolvenzgericht gem. der Gebührenordnung bekommt. Vielmehr nutzt er im Regelinsolvenzverfahren hierzu vornehmlich die Zeit zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung. Neben dem Einrichten entsprechender Massekredite oder der Vorfinanzierung der Insolvenzgeldzahlungen, kann er bei entsprechenden Vollmachten durch das Gericht, offene Forderungen einziehen und mittels Insolvenzanfechtung Vermögenswerte  „zurückholen“. Je nach “Bissigkeit“ des Verwalters kann das zu ziemlichen Ärger für alle Beteiligten führen.

Noch vorhandene Zahlungsfähigkeit ist Voraussetzung für das „Schutzschirmverfahren“ gem. ESUG

Voraussetzung für die Eigenverwaltung gem. § 270b InsO – also dem sog. neuen „Schutzschirmverfahren“ gem. ESUG – ist, das der Antragsteller nicht zahlungsunfähig ist, er den Antrag dazu selber stellt und keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu Nachteilen der Gläubiger führen wird. Also Zahlungsfähigkeit muss bis zur Antragsstellung weiter gegeben sein. Am einfachsten gelingt dies, wenn der „neue“ vorläufige Gläubigerausschuss dem Antrag einstimmig zustimmt. Dieser vorläufige Gläubigerausschuss ist auch ein neues Instrument des ESUG und muss durch das zuständige Gericht für wirtschaftlich bedeutendere Fälle gem. den Schwellenwerten aus § 267 Abs. 1 Nr.1 bis 3 HGB zwingend bestellt werden. Zudem wird dem Schuldner ein (vorläufiger) Sachwalter anbei gestellt, der die wirtschaftliche Lage zu prüfen und zu überwachen hat. Die Bescheinigung der Sanierungsfähigkeit ist aber von einer juristisch unabhängigen Person zum Schuldner und Sachwalter gem. IDW ES 9 zu erstellen. Aber Achtung: Der Schuldner begründet im Schutzschirmverfahren bereits Masseverbindlichkeiten. Deshalb sollte auf jeden Fall ein Insolvenzfachmann diese Art der Sanierung begleiten.

Begriffliche Präzisierungen als Empfehlungen

Von daher schlage ich hier grundsätzlich folgende begriffliche Präzisierung vor:

Im Rahmen der Prüfung auf Zahlungsunfähigkeit sollten etwaige Zahlungsstockungen innerhalb von längsten 3 Wochen ausgeglichen werden. Bei weiterer drohender Zahlungsunfähigkeit sollte ein Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung als Alternative zum Regelinsolvenzverfahren geprüft werden. Insbesondere die Möglichkeiten der Insolvenzordnung bieten Unternehmen die Möglichkeit, sich umfassend und nachhaltig zu sanieren.

Vielleicht denken Sie, warum macht der sich eigentlich so eine Mühe. Ganz einfach: Das ESUG ist sehr neu und ich hatte im letzten Jahr zwei Sanierungsmandate betreut, und mich dabei wiederholt über die fehlenden Kenntnisse oder erhebliche Widersprüchen von Fachanwälten und Spezialisten ggü. nahezu allen Beteiligten ziemlich geärgert. Denn wenn man die richtigen Leute im Vorfeld zum richtigen Zeitpunkt zusammenbringt, dann wird das ESUG sicherlich das werden, wovon sich der Gesetzgeber auch den nachhaltigen Erhalt von Arbeitsplätzen und Vermögensgegenständen verspricht.

Abschließend sollten etwaige Fachleute aufpassen, dass Sie bei Veröffentlichungen nicht nur das Richtige meinen sondern auch schreiben. Denn es könnte ja durchaus auch mal sein, das ein Finanzbeamter mit entsprechendem Schwerpunkt einen derartigen Artikel liest und dann tätig wird. Und dann sind alle Beteiligten sehr schnell im Erklärungsnotstand.